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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in Gang gekommen. »Dort sitzen die Geier, die auf mein Aas warten«, sagte Dorian tief atmend. »Wirst du mich allein lassen, Kleines?«
    »Wie meinst du das, Vater?«
    »Du gehst doch mit Doktor Keller von mir weg …«
    »Ich … ich weiß es nicht.« Angela senkte den Blick. »Vielleicht wird alles besser, wenn die Operation gelungen ist.«
    »Das alte Lied!« Dorian straffte sich. Ich brauche Kraft, dachte er. Viel Kraft. Und keiner kann sie mir geben, ich muß sie aus mir selbst schöpfen. »Dem siegreichen Außenseiter jubelt man zu. Vorher war er ein Dreck! Jetzt brauche ich Unterstützung, jetzt! Jetzt wäre ein Mensch, der an mich glaubt, an meiner Seite wertvoll. Auf den Applaus nachher verzichte ich gern!«
    »Du hast in Kamphusen einen hündischen Bewunderer«, sagte Angela mit Ekel. Dorian winkte ab.
    »Er ist ein Schwätzer. Haltet ihr mich für verbohrt?«
    »Vater.« Angela legte beide Hände auf Dorians Arm. Ihre Augen flehten. »Soll ich mit Bernd sprechen? Er wird dir assistieren … mir zuliebe …«
    »Nein! Danke!« Dorian wandte sich ab. »Am OP-Tisch will ich einen Arzt haben, der um der Sache willen mit mir arbeitet! Das Thema ist erledigt.«
    Er ließ Angela stehen, ging zurück in den Kreis der berühmten Kollegen und winkte dem Pfleger zu, das Tablett mit den Sektgläsern zu bringen.
    Angela blieb in der Ecke stehen und sah ihm zu. Armer Vater, dachte sie. An der Schwelle höchsten Ruhmes stehst du einsam da. Du hebst dein Sektglas und lachst … aber in Wahrheit schallt deine Stimme durch einen weiten leeren Raum, du bist allein, denn die Welt liegt hinter dir, du bist ihr vorausgeeilt … frierst du nicht, Vater, in diesem leeren Raum, in diesem Neuland, das du als erster betrittst?
    Einsamkeit … bleibt sie immer die Gefährtin des Genies?
    Donnerstagmorgen.
    Die Nacht war ruhig verlaufen. Dr. Kamphusen hatte Sassner starke Beruhigungsmittel gegeben. Sassner hatte traumlos und tief geschlafen und war am Morgen frisch erwacht. Ein Frühstück gab es nicht, nur ein Glas konzentrierten Obstsaft. Dafür wurde viermal hintereinander der Blutdruck gemessen, das Herz abgehört und sogar ein EKG gemacht.
    Ein Pfleger rasierte Sassner den Schädel. Wie beim Friseur saß er auf einem Stuhl, einen Umhang um die Schultern, die Haare fielen in großen Strähnen herunter, hier brauchte sich keiner mehr um die Façon zu kümmern … Als das Haar mit der Maschine weggeschnitten war, seifte der Pfleger den Kopf ein und rasierte ihn völlig kahl.
    Sassner ließ sich einen Spiegel geben und sah hinein.
    »Von einem Sträfling nicht zu unterscheiden«, scherzte er. »Ich würde mich selbst nicht mehr erkennen. Es ist doch eigentlich erschütternd, daß man mit einem Rasiermesser vier Fünftel der Würde eines Menschen wegnehmen kann! Wer mir so begegnet … ich hätte alle Chancen, in Freiheit stündlich mehrmals verhaftet zu werden.« Er legte den Spiegel weg, stand auf und fuhr sich über den glatten Schädel.
    »Das war übrigens auch in der Kriegsgefangenschaft und im KZ so«, sagte er. »Mit dem Fallen der Haarpracht brach oft auch der letzte innere Widerstand. Es ist etwas Wahres an der Sage von Simson, den die Kraft verließ, als man ihm die Haare abschnitt. Irgendwie fühlt man sich entehrt …«
    Dorle und Andreas lachten ihn aus, als er so kahlköpfig zurück ins Zimmer kam. »Jetzt spielt der Paps Yul Brynner!« schrie Andreas. Nur Luise verstand, was in diesem Augenblick in ihrem Mann vorging. Sie streichelte seinen kahlen Kopf und lächelte ihn an.
    »Haare wachsen so schnell nach … wenn alles andere so einfach wäre«, sagte sie zärtlich. »Du kannst dich nie verändern … es bleiben immer deine Augen …«
    Im OP herrschte fieberhafte Betriebsamkeit. Dorian selbst überwachte den Aufbau des Instrumententisches. Für alle möglichen Komplikationen wurden die Geräte bereitgestellt. Sauerstoff, Beatmungsapparat, Blutkonserven, Infusionen, Absauger, Intrakardial-Spritzen, vor allem aber die von Dorian entwickelten elektrischen Reizstromstrahler, haardünne Stahlnadeln, aus denen die Stromstöße zuckten, mit denen Dorian im offenen Hirn operieren wollte.
    Im Speisesaal frühstückten die zehn Hirnchirurgen, lasen Zeitungen, gingen hinaus und riefen ihre Kliniken an, was es Neues gäbe. Eine unerträgliche Spannung lag über allen; man zuckte zusammen, wenn jemand sein Feuerzeug aufflammen ließ, um sich eine Zigarette anzuzünden, als könne diese geladene Atmosphäre explodieren. Um halb

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