Das Schloß der blauen Vögel
zweite Operation auf die Liste.«
»Ich biete Ihnen zehntausend Mark«, stammelte Markus Peltzer. »Lassen Sie mich los, bitte, bitte …«
»Die Verwandlung Ihres Wesens ist nicht käuflich«, erwiderte Sassner streng. »Ich handle im Namen der Humanität.«
»Fünfzigtausend Mark!« brüllte Autohändler Markus. »Es ist alles, was ich auf den Banken habe. Ich schreibe Ihnen einen Barscheck aus, Sie können das Geld sofort holen …«
»Er erkennt nicht die große Stunde.« Sassner deckte Peltzer wieder zu. »Er denkt nicht mit dem Hirn, sondern mit dem Penis. Aber das wird sich ändern. Wie spät ist es, Schwester?«
»Dreizehn Uhr neunzehn.« Ilse Trapps blickte auf ihre Armbanduhr.
»Gut. Bereiten Sie Patient eins vor. Sind alle nüchtern?«
»Ja, großer Boss.«
»Vorzüglich.« Er nickte dem vor Angst und Grauen stummen Milchprüfer Hombatz zu. »Keine Angst, mein Lieber … die Welt wird schöner sein, wenn ich Sie operiert habe.«
An diesem Nachmittag geschah etwas Merkwürdiges.
Gerd Sassner tötete seine Patienten nicht, öffnete nicht ihre Köpfe, wusch nicht die Gehirne in Tak-Lösung … er beschränkte sich auf einen kleinen Eingriff. Warum er das tat, wagte Ilse Trapps nicht zu fragen.
Nach der üblichen Narkose durch einen Schlag mit einem umwickelten Hammer schleiften Sassner und Ilse unter dem Angstgebrüll der anderen den Körper von Julius Hombatz hinüber in den ›OP‹. Dort wuchtete Sassner den Ohnmächtigen allein auf den Tisch, zog seine Gummihandschuhe an und schnitt dem Milchprüfer mit einer normalen Schere beide Ohren ab.
»Seine Empfangsanlage für zerstörerische Impulse ist damit ausgeschaltet«, sagte er, als Ilse Trapps blutstillende Kompressen auf die beiden Ohrwunden drückte und begann, den Kopf mit Mullbinden zu umwickeln. »Der nächste!«
Sie trugen Julius Hombatz zurück in ein anderes Zimmer, das Sassner die ›Wachstation‹ nannte, schnallten ihn fest und machten sich auf, den Autohändler Peltzer zu holen.
Peltzer wehrte sich, so gut er konnte. Er spuckte um sich, er schrie gellend … Sassner brauchte drei Hammerschläge, ehe Peltzer ›narkotisiert‹ war.
Bei Markus Peltzer überlegte Sassner lange, ob er ihn am Kopf oder am Unterleib operieren sollte. »Seine Gedanken sitzen tief, das haben wir vorhin gesehen«, sinnierte er. »Es kann aber sein, daß solche Reaktionen ausgelöst werden durch Stauungen im Gehirn. Entlasten wir ihn von seinen Gedanken.«
Er ging zum Instrumententisch, suchte einen Handbohrer aus, einen kleinen Hammer und einen Dübelschlegel.
Schnell und gewandt bohrte er auf Peltzers Stirn, drei Finger breit über der Nasenwurzel, ein kleines Loch in den Vorderschädelknochen, setzte dann das Dübeleisen an und schlug ein Loch. Das Blut schoß über seine Hände, überflutete Peltzers Gesicht und rann über den breiten Holztisch.
»Kompresse!« sagte Sassner streng. Ilse reichte sie ihm.
Er drückte den Mullberg auf Peltzers Stirn, wartete etwas, wechselte dann die Kompresse und verband den blutigen Schädel.
»Jetzt stoßen seine Gedanken nicht mehr an«, sagte er, als Peltzer ebenfalls im ›Wachraum‹ zu Bett gebracht war. »Sie können sich frei entfalten, wie ein Vogel seine Schwingen ausbreitet.«
Als letzte kam Agathe Vierholz auf den Tisch. Sie war schon ohnmächtig, als Sassner sie holen wollte.
»Sie hat einen zierlichen Körper, aber breite Hüften.« Sassner betrachtete das Mädchen mit Wohlwollen. »Ich sehe voraus, daß sie einmal eine stolze Kinderschar haben wird, so wie eine gute Kuh viele Kälber. Eine gute Kuh aber erkennt man sofort an ihrem Gütezeichen. Warum soll ein Mensch nicht ebenso prämiert werden? Ich habe da einen Gedanken …«
Er sah sich um, nahm vom ›Instrumententisch‹ ein Messer und wog es in der Hand. Darauf verließ er den ›OP‹, ohne ein weiteres Wort zu sagen, und Ilse Trapps wagte auch nicht, zu fragen oder ihm gar nachzugehen.
Noch bevor das Fernsehen Gerd Sassners Bild brachte, stand die Sonderkommission GROSS X in Stuttgart kopf.
Auf dem Rastplatz nahe der Ausfahrt Achern, zwischen Baden-Baden und Offenburg, fand eine Polizeistreife um 3 Uhr 11 morgens drei verletzte Menschen. Zwei Männer und eine Frau. Sie lagen im Gras unter einer Birkengruppe, in einer Reihe nebeneinander, ausgerichtet wie zu einer Parade. Es war klar, daß sie sich selbst nicht so hingelegt hatten.
Die Polizei dachte zunächst an einen Unfall mit Fahrerflucht. Man suchte das demolierte Fahrzeug der
Weitere Kostenlose Bücher