Das Schloss der tausend Sünden
glaubte. Und doch hatte sie von Anfang an gewusst, dass ihr Leben und das des Grafen miteinander verknüpft waren.
«Ja, ich werde es tun», antwortete sie schließlich.
«Es ist gefährlich», warnte Jonathan und legte den Arm noch fester um sie. «Wenn das stimmt, was André mir erzählt hat, bist du dabei sogar in Lebensgefahr!»
Seine Stimme klang flach, resigniert und nicht besonders überzeugend. Sie verriet seiner Freundin, dass er ihre Entscheidung nicht nur akzeptierte, sondern sogar froh darüber war. Belinda lächelte. Wie klug André doch war. Durch den Sex mit Jonathan hatte er auch ihn für seine Zwecke eingespannt und seine Bedenken mit der Kraft der Zärtlichkeit fortgewischt.
«Ich weiß», sagte die junge Frau mit ruhiger Stimme. «Aber ich habe keine andere Wahl. Ich ertrage die Vorstellung nicht, dass die beiden noch jahrhundertelang so weitermachen müssen. So nah und doch so weit voneinander entfernt. Sich lieben, sich wollen, aber nicht in der Lage zueinanderzukommen.
«Ich würde jedenfalls nicht mit so was fertigwerden», sagte Jonathan. «Ich wäre längst durchgedreht, wenn es dabei um dich und mich ginge.»
Einen Moment lang vergaß Belinda die schreckliche Lage, in der André und Arabelle sich befanden. Ihr Freund hatte ganz spontan, ohne nachzudenken, gesprochen unddabei Gefühle für sie offenbart, die tief und allumfassend waren. Auf einmal wurde Belinda klar, dass sie diese Gefühle teilte. Zwar hatte das Paar durchaus seine Probleme – ein paar Wochen vor diesem Urlaub war sogar von Trennung die Rede gewesen –, doch die Vorstellung, ihn jetzt zu verlieren, war auf einmal ganz und gar schrecklich für sie. Genauso schlimm, wenn nicht sogar schlimmer, als der Gedanke, vielleicht ihr eigenes Leben zu verlieren.
Sprachlos wand sie sich in seiner Umarmung, um schließlich nach oben zu schnellen und ihre Lippen erst auf sein Kinn und dann auch auf seinen Mund zu pressen. Trotz allem, was in den letzten zwei Tagen geschehen war, trotz ihres von Michikos Behandlung immer noch schmerzenden Hinterns, trotz der Angst vor dem, was noch kommen sollte, spürte Belinda das starke Bedürfnis, ihren Gefühlen für Jonathan Ausdruck zu verleihen. Jetzt sofort. Solange sie noch in der Lage dazu war, wollte und musste sie ihn wissen lassen, dass sie seine tiefen Gefühlte teilte. Dass sie ihn genauso liebte wie er sie.
Jonathans Körper versteifte sich, als seine Zunge in ihren Mund glitt. Belinda umarmte ihn mit aller Kraft. Sie wusste, dass es noch nicht zu spät war.
«Es muss morgen Abend passieren», erklärte Michiko und lief dabei im Turmzimmer auf und ab – etwas, das sie immer tat, wenn sie nachdachte und Pläne schmiedete.
«So bald schon …», sagte der Graf und spürte eine gespannte Erwartung in sich aufsteigen.
«Ja, es ist unumgänglich», fügte Michiko hinzu und glättete den voluminösen Ärmel des dünnen grünen Kimonos, den sie als Zeichen der Bereitschaft trug. «Ich spüre sie. Ich fühle, wie sie immer näher kommt.»
André sah, wie es sie schauderte. Er empfand denselbenEkel, der von einem blinden, allumfassenden Zorn begleitet wurde. Wieder und wieder war er Isidora entkommen. Er wusste, wenn sie nur nah genug kam, hatte sie die Macht, ihn zu versklaven. Doch nun endlich wendete sich das Blatt. Mit Hilfe von Belinda, Michiko, ja sogar von Jonathan hatte er die Kraft, sie zu vernichten und frei zu sein. Aber sollte sie dieses Gefühl von ihm empfangen, war es immer noch möglich, dass sie seine Pläne durchkreuzte.
«Wenn meine Kräfte doch nur so sensibel wie die deinen wären.» Der Graf erhob sich und schlang seinen Morgenmantel fester um sich. «Dann hätte ich in der Vergangenheit vielleicht nicht so viele gefährliche Situation durchlebt. Meinst du, sie weiß schon, was wir vorhaben?»
«Nein, ich denke nicht», erwiderte Michiko und kam auf André zu. «Vergesst nicht, dass ihre seherischen Kräfte nicht voll ausgebildet sind.» Sie nahm seine Hand und lächelte ihn an. Michiko wollte ihm Mut machen, und dafür liebte er sie fast. «Sie kann zwar Euer Bewusstsein über große Entfernungen spüren, aber Eure Gedanken kann sie nicht lesen. Und auch nicht die von anderen.» Ihre dunklen Augen verengten sich verschwörerisch. «Und selbst wenn sie einen neuen Zauber einsetzen sollte und auf einmal doch in der Lage sein sollte, Gedanken zu lesen, weiß ich einen stärkeren Zauber, um den ihren aufzuheben. Ich kann alle Geister unter diesem Dach
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