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Das Schloss der tausend Sünden

Das Schloss der tausend Sünden

Titel: Das Schloss der tausend Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Portia Da Costa
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Fingerspitzen auf die Flasche legte und die Stirn krauszog.
    Er ist also tatsächlich warm, dachte sie. Jemand wie du müsste aber wirklich einen Weinkühler griffbereit haben.
    Während sie diese Worte dachte, drehte André sich um und betrachtete sie eine Sekunde lang aufmerksam. Dann nahm er die Flasche und ließ seine Hände mehrfach über die ganze Länge gleiten. Nach kurzer Zeit lächelte er und goss den Wein in zwei Gläser.
    «Hier. Probieren Sie den mal», forderte er Belinda auf und setzte sich neben sie auf das Sofa. «Die Trauben stammen ganz aus der Nähe meines Geburtsortes. Er ist recht süß, aber ich glaube, er wird Ihnen munden.»
    Als Belinda das Glas entgegengenommen hatte, ließ sie es fast gleich wieder fallen. Es war kalt – so kalt, als hätte der Wein in einem Kühler gestanden.
    Graf André grinste und brachte einen unverständlichen Toast in seiner Muttersprache aus. Die Worte klangen ein bisschen nach prosit, aber mit einer seltsamen, teils gutturalen, teils melodischen Modulation, die Belinda beim besten Willen nicht hätte nachahmen können.
    «Prost!», erwiderte sie schlicht und führte das Glas an ihre Lippen.
    Der Wein war auf exakt die richtige Temperatur gekühlt. Das überraschte die junge Frau so sehr, dass sie das Glas, ungeachtet des feinen, köstlichen Geschmacks, mit einem Schluck fast bis zur Hälfte leerte.
    «Er ist kalt», bemerkte sie und starrte auf die klare goldene Flüssigkeit.
    «Allerdings», erwiderte ihr Gegenüber. Er starrte sie durchdringend über den Rand des Glases an, während er selbst nur einen winzigen Schluck nahm.
    Belinda hatte auf einmal das dringende Bedürfnis, ihn zu fragen, wie das sein konnte. Sie hätte schwören können, dass die Flaschen schon eine ganze Weile in der Bibliothek standen. Und doch hatte der Wein genau die Temperatur, die zu seinem Charakter passte. Schon bildete sich ein«Wie?» auf ihren Lippen, doch die Zunge lag so merkwürdig schwer und bewegungsunfähig in ihrem Mund, dass sie nicht in der Lage war, es auszusprechen. Sie sah nur immer wieder die seltsam gleitend-rollenden Handbewegungen, die André an der Weinflasche vollführt hatte.
    Der Mann ist ein Zauberer, dachte sie, schalt sich aber im selben Moment für diese lächerliche Schlussfolgerung. Er war einfach nur ein guter Gastgeber, der im Voraus dachte. Wahrscheinlich hatte er den Wein einfach aus dem Keller holen lassen, kurz bevor er in ihr Zimmer gekommen war.
    «Also, Belinda – sind Sie und Jonathan einander versprochen?»
    «Was für eine altmodische Formulierung. Sie meinen verlobt, nicht wahr? Nein, sind wir nicht. Aber wir kennen uns schon sehr lange.»
    «Sehr lange», murmelte er nachdenklich. «Und was heißt ‹sehr lange› bei Ihnen?» Er zog eine seiner dunklen Augenbrauen hoch, die im Gegensatz zu seinen Haaren nicht heller geworden, sondern fast schwarz waren.
    «Drei Jahre.»
    «Das ist keine sehr lange Zeit», sagte er mit milder Stimme und bewegte den Wein in seinem Glas. «Und wie lange sind Sie schon Geliebte?»
    Für jemanden, den sie gerade erst vor ein paar Minuten kennengelernt hatte, war das eine ziemlich direkte Frage. Die Belinda der letzten Woche hätte sich dadurch vielleicht noch angegriffen und wegen ihrer merkwürdig unsteten Beziehung zu Jonathan kritisiert gefühlt. Doch jetzt gelang es der jungen Frau zu ihrer eigenen Überraschung, auf diese Intimität mit völliger Gelassenheit zu reagieren.
    «Drei Jahre», erwiderte sie ruhig und nahm einen großen Schluck Wein, während der Graf ihre Auskunft verarbeitete.
    «Und beglückt er Sie?»
    «Meistens.»
    «Nicht immer? Eine Frau wie Sie sollte immer beglückt werden   …»
    «Ich weiß nicht, was Sie mit ‹eine Frau wie ich› meinen, aber ich bin ein realistischer Mensch, Graf, und erwarte keine Wunder.»
    «Vielleicht sollten Sie das», sagte er und beobachtete versonnen, wie der Wein in seinem Glas durch das leichte Wiegen seiner Hand hin und her schwappte.
    Belinda betrachtete seine Hände und sah erneut deren Bewegungen an der Flasche vor sich, die deren Inhalt auf subtile Weise verändert hatten. Unwillkürlich kam ihr der Gedanke, wie diese Bewegungen sich wohl auf ihrem Körper anfühlen würden. Doch in ihrer Vorstellung gaben sie dabei keine Kälte, sondern eine brennende Hitze ab.
    Als sie zu seinen Augen aufschaute, sah sie diese Hitze in deren Tiefen wie eine blaue Flamme brennen.
    Er kann Gedanken lesen, dachte sie und schalt sich erneut für eine derartig

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