Das Schloss der tausend Sünden
von den Geschehnissen im Badezimmer. Es ist noch nicht vorbei, schienen sie zu sagen. Und beim nächsten Mal wird es sogar noch köstlicher werden …
«Oh Junge», flüsterte Belinda leise, als sie mit Oren über den Flur ging. Der große nordische Diener war ihr zwei Schritte voraus, sodass sie ein leichter Schock durchfuhr, als er sich plötzlich umdrehte und sie wissend anschaute.
«Sind Sie ihr …» Wie konnte sie es formulieren, ohne dass es aufdringlich klang? «Sind Sie ihr Freund?», vollendete sie den Satz schwach.
Oren sah sie mit leichtem Spott über ihre Naivität an.
«Dann also ihr Cousin?» Belinda brachte es einfach nicht über sich, noch deutlicher zu werden.
Er nickte und machte dann eine merkwürdige kreisende Geste mit den Fingern, die «ein bisschen mehr als das» zu bedeuten schien.
«Oh … Ich verstehe», murmelte Belinda und fragte sich erneut, wie es wohl wäre, mit ihm zu schlafen. Er war ein Koloss, aber ganz offensichtlich rücksichtsvoll und sanft. Außerdem sah er in den Sachen, die er heute Abend anhatte, einfach zum Anbeißen aus. Er trug eine weiße Jeans mit weißem Polo-Shirt, die den bronzenen Schimmer seiner Haut aufs attraktivste betonte.
Herrgott, Seward, nun reiß dich aber mal zusammen!, schalt sie sich stumm. Was zum Teufel war seit ihrer Ankunft hier nur in sie gefahren? Sie konnte an nichts weiter als Sex und Körper denken. Körper und Sex. Sollte sie sich nicht eigentlich eher Gedanken um Jonathan machen und herausfinden, wohin er so plötzlich verschwunden war?
«Entschuldigung», sagte sie und berührte Orens muskulösen, goldenen Arm, «wissen Sie vielleicht, was aus meinem Freund geworden ist? Vorhin waren wir noch zusammen, aber jetzt scheint er verschwunden zu sein.»
Oren blieb kurz stehen, nickte, und kurz bevor sie die Treppe erreichten, lenkte er sie in einen anderen, langen Flur. Auf halbem Wege blieben sie vor einer großen, der ihres eigenen Zimmers nicht unähnlichen Eichentür stehen. Er klopfte leise und hielt ihr dann die Tür auf.
Jonathans Schlafzimmer war vielleicht nicht ganz so luxuriös wie das ihre, aber es wirkte immer noch umwerfend opulent und behaglich. Der Raum wurde von satten, männlichen Grüntönen beherrscht und beinhaltete bemerkenswerterweise keinerlei Porträts derer von Kastel. Die einzigen vorhandenen Bilder waren ein Stillleben und ein Landschaftsgemälde.
Das Bett, in dem Jonathan lag, sah wie eine mit Grünzeug geschmückte Gartenlaube aus. Sein Gesicht wirkte auf dem schneeweißen Kissenbezug geradezu engelsgleich.
«Johnny?», sprach Belinda ihn mit leiser Stimme an, als sie auf das Bett zuging. «Johnny, ist alles in Ordnung?»
Jonathan bewegte sich ein wenig und murmelte etwas Unverständliches. Er wachte jedoch nicht auf. Belinda drehte sich zu Oren um, der ihr in das Zimmer gefolgt war.
«Was ist denn mit ihm?», fragte sie etwas besorgt. Es war für Jonathan kein Problem, mal eben ein Nickerchen einzulegen, aber so tief hatte sie ihn noch nie schlafen sehen. Außerdem war es mittlerweile Abend, wie die auf den Himmel herabsinkende Dämmerung verkündete. Jonathan aber war ein ausgesprochener Nachtmensch, der erst um diese Zeit so richtig aufdrehte.
Oren lächelte ruhig und beschrieb ihr dann mit einer weiteren seiner eloquenten Pantomimen, wie er Jonathan vor kurzem auf dem Treppenabsatz begegnet war. Derjunge Mann hatte offensichtlich mit einem starken Schwindelgefühl zu kämpfen gehabt.
«Und dann haben Sie Graf André gebeten, nach ihm zu sehen?», fragte Belinda. Sie verstand wohl, was Oren ihr sagen wollte, war aber dennoch etwas verwirrt. «Was konnte er denn tun?»
Oren machte erst eine umrührende Geste, dann ein paar langsame, fließende Bewegungen mit den Händen und zeigte auf einen weißen Becher, der auf dem Nachttisch stand. Mit einem Stirnrunzeln erinnerte Belinda sich an Andrés merkwürdige Vorführung mit der Weinflasche und nahm das Gefäß alarmiert in die Hand.
Der Becher roch immer noch stark nach Kräutern – ein minziger, recht angenehmer Geruch. Belinda nahm an, dass es sich wohl um Kräutertee gehandelt hatte.
«War das irgendeine Medizin?», fragte sie.
Oren nickte.
«Etwas, das der Graf angerührt hat?»
Er nickte wieder.
Das wird ja immer verrückter, dachte sie und strich über Jonathans Stirn. Jetzt ist der Mann nicht nur Zauberer, sondern auch Arzt.
Und ganz offensichtlich ein guter, denn Jonathans Temperatur fühlte sich völlig normal an, und er schien
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