Das Schloss der tausend Sünden
solchen Dingen nicht so genau –, aber Belinda war immer ausgesprochen organisiert. Dieses Benehmen sah ihr also gar nicht ähnlich. Unter normalen Umständen, mit einem fahrtüchtigen Wagen, hätte Belinda längst dafür gesorgt, dass sie aufgebrochen wären. Oder sie hätte zumindest Vorkehrungen getroffen, das Auto reparieren zu lassen.
Doch irgendwie waren die meisten ihrer formellen Qualitäten von dem Regen fortgewaschen worden, und sie wollte nichts anderes tun, als weiter in diesem seltsamen, düsteren Haus zu liegen und sich einer Vielzahl von neuen Sexspielarten hinzugeben. Belinda hatte zudem einen Verdacht, wie es zu diesem Sinneswandel gekommen war.
«Was tust du da mit mir, André?»
Während dieser Worte bemühte sie sich mit aller Kraft ihres Geistes, diese Frage in ein ätherisches Außen dringen zu lassen. Das schien zwar recht esoterisch zu sein, aber sie war sich sicher, dass ihr geheimnisvoller Gastgeber diesen Gedanken spüren konnte.
Was besaß er wohl für Kräfte – dieser attraktive, junge, zweihundertjährige Graf? Seine Behauptung, eine außergewöhnlich lange Lebenszeit zu haben, klang völlig schwachsinnig, doch irgendwo in ihrem Herzen glaubte sie ihm. Einen Teil seiner Geschichte verheimlichte er zwar immer noch, aber Belinda war sicher, dass er sie wenigstens bis dahin nicht angelogen hatte.
André?, versuchte sie es erneut, schüttelte aber schnell den Kopf und lachte leise in sich hinein. Was erwartete sie denn? Eine sofortige telepathische Antwort oder ein Klopfen an der Tür als Antwort auf ihre Rufe? Oder vielleicht sogar, dass er mitten im Raum aus einer blauen Nebelwolke aufstieg? Sie lächelte erneut und befand, dass sie eindeutig zu viele Schauergeschichten gelesen hatte.
Die übersinnliche Funkverbindung zum Grafen war heute Morgen offenbar abgeschaltet, denn nichts geschah. Ob er tagsüber schlief? Sie hatte ihn beschuldigt, ein Vampir zu sein. Und auch wenn er das abstritt, hatte er doch zugegeben, einige ähnliche Eigenschaften zu besitzen. Dazu könnte durchaus auch das Schlafen bei Tage gehören. Schließlich hatte er auch gestern geruht, als sie ihn im Turm das erste Mal entdeckte. Und den wachen André lernte sie erst kennen, als es bereits früher Abend war.
Belinda stand bedächtig auf und legte eine Hand auf ihre Stirn. Sie hatte von den vielen Gedanken über solch «phantastische» Dinge Kopfschmerzen bekommen. Sie ging ins Bad, um ihr Gesicht zu waschen und einen Schluck Wasser zu trinken.
Auf dem Weg dorthin bückte sich die junge Frau, um das viktorianische Nachthemd aufzuheben, das Jonathan während ihres Aktes triumphierend zu Boden geworfen hatte – ein weiterer Ausdruck seiner neuen sexuellen Dynamik.
Fünfzehn Minuten später entdeckte eine etwas erfrischte Belinda, dass sich in dem Zimmer keinerlei weitere Frauenbekleidung befand. Die Sachen, die sie gestern Abend getragen hatte, waren zusammen mit dem Hängerkleidchen verschwunden. Auch ihre eigenen Shorts und das T-Shirt waren nirgends zu sehen. Von irgendwelcher Unterwäsche ganz zu schweigen.
Ich bin gefangen, dachte Belinda, und ihr fiel der Verdacht wieder ein, dass André irgendetwas mit ihr vorhatte. Er hat all meine Sachen gestohlen, damit ich nicht vor ihm fliehen kann. «Na, das werden wir ja sehen», murmelte sie grimmig, entfaltete ihr Nachthemd wieder und zog es sich über den Kopf. Danach gab sie Jonathan einen Kuss, der nur von einem verschlafenen Schnüffeln kommentiert wurde, und machte sich daran, in der totenstillen Verlassenheit des Klosters nach Leben zu suchen.
Wie erwartet war der obere Flur völlig verlassen, und Belinda beschloss, über die Galerie in den Turm zu gehen, wo André schlief. Etwas in ihr wollte ihn am liebsten sofort mit ihren Vermutungen konfrontieren, doch eine Stimme in ihrem Kopf riet noch zur Wachsamkeit. Zunächst musste sie die Fakten klären und möglichst etwas mehr über ihren Gastgeber herausfinden. Eine Untersuchung des Hauses und seiner Besitztümer könnte vielleicht hilfreich sein. Besonders die Bibliothek war vollgestopft mit Büchern und Papieren. Darunter musste doch irgendetwas sein, was Licht in die Sache brachte.
Belinda stieg mit bloßen Füßen die Treppe hinab und kam sich schon jetzt überaus verdächtig vor. Im Haus wares ganz still, doch von irgendwoher strich ein kitzelnder Lufthauch über ihre Haut. Er kroch unter den Saum ihres Nachthemds und erinnerte sie daran, dass ihre Möse und ihr Po unbedeckt waren. Mit jeder
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