Das Schloss der tausend Sünden
entschloss sich, gleich in die Vollen zu gehen. «Glaubst du an übernatürliche Vorkommnisse?»
«Ich weiß nicht recht», erwiderte Jonathan nachdenklich. «Würde ich gerne … glaube ich zumindest … Aber bisher ist mir noch nichts in der Richtung passiert, was den Glauben daran rechtfertigen würde.»
Belinda fühlte sich erst erleichtert, ärgerte sich dann aber bald über sich selbst. Wieso hatte sie nur an ihm gezweifelt? Jonathan war immer ein aufgeschlossener Mensch gewesen und von ihren bisherigen Freunden ganz gewiss derjenige, der am ehesten bereit war, sich neuen Ideen zu öffnen.
«Was würdest du sagen, wenn ich dir erzählte, dass wir hier in so eine übernatürliche Sache reingeschlittert sind?» Sie machte eine Pause und sah dann in Richtung des großen Hauses. Jetzt, wo der Nachmittag langsam in den Abend überging, sah es wieder genauso geheimnisvoll aus wie am ersten Tag. «Dass hier nichts so ist, wie es zu sein scheint.»
Jonathan folgte ihrem Blick. «Du meinst André?» Er drehte sich zu ihr um und lächelte. «Ja, mir ist schon aufgefallen, dass er nicht gerade ein Durchschnittstyp ist. Ich meine, zunächst mal seine Schlafenszeiten …» Er stockte und lächelte etwas gequält. «Du willst mir doch jetzt nicht erzählen, dass er in Wirklichkeit Graf Dracula ist, oder?»
Seine Freundin lachte und versuchte so, ihre eigenen Nerven zu beruhigen. In Worte verpackt schien die ganze Geschichte noch absurder zu sein. «Ich habe ihn tatsächlich gefragt, ob er ein Vampir ist. Aber das hat er verneint.» Oh Mann, wie sollte sie es nur sagen? «Aber er ist zweihundert Jahre alt!»
«Du nimmst mich auf den Arm?!» Jonathans Hand zitterte leicht in der ihren.
«Nein. Sind dir die Bilder von den vielen Männern mit blauen Augen aufgefallen? Das sind nicht etwa seine Vorfahren, sondern sie stellen alle ihn dar!»
«Du lieber Gott!» «Wirklich. Er …»
Belinda wollte gerade anfangen, alles zu erzählen, was sie über ihren seltsamen Gastgeber wusste, als ein lautes Dröhnen ertönte. Zunächst klang es noch recht entfernt, näherte sich aber mit jeder Sekunde. Es schien aus der Richtung der gewundenen Auffahrt zu kommen, über die sie vor zwei Nächten im Gewitterregen getappt waren. Belinda sah den Schatten eines Motorrads blitzschnell zwischen denBäumen hervorschießen und auf das Haupthaus zufahren, dass der Kies nur so spritzte. Nachdem es auf der anderen Seite des Gebäudes zum Stehen gekommen war, wurde der Motor erst gedrosselt und verstummte schließlich ganz.
«Eins ist mal sicher, das war garantiert nicht Paula», erklärte Jonathan besonnen. «Es sei denn, sie hat vergessen, uns was Wichtiges mitzuteilen.»
«Das muss ein Freund von André sein», vermutete Belinda.
«Was? Noch ein zweihundertjähriger Raver?»
«Er ist kein Raver!», rief Belinda, hatte aber keinerlei Ahnung, wieso sie jemanden verteidigte, den sie kaum kannte – und der sie sexuell ausnutzte.
«Wirklich?» Ihr Freund zog eine Augenbraue hoch. Es war klar, dass er entweder wusste oder zumindest vermutete, was zwischen Belinda und ihrem geheimnisvollen Gastgeber ablief.
Die junge Frau wollte sich gerade verteidigen, als ihr Jonathans eigenes Geständnis wieder einfiel. Also zog auch sie eine Augenbraue hoch, was er immerhin mit einem Grinsen beantwortete.
«Okay. Also keiner von uns ist so ganz schuldlos. Nur …» Er zögerte, als würden ihm die Worte fehlen, um seine Gefühle auszudrücken. Vielleicht wusste er aber auch gar nicht, um welche Gefühle es sich eigentlich handelte. «Ich bin nicht eifersüchtig, und so richtig schuldig fühle ich mich auch nicht.» Er drückte ihre Hand. «Wie sehen denn deine Gefühle so aus? So mit all dem hier, meine ich.»
Tja, wie fühlte sie sich?
«Sehr ähnlich», antwortete Belinda nach einer langen Pause. «In Andrés Gegenwart bin ich wie verzaubert, und er ist dann das Wichtigste, was mir jemals widerfahren ist. Aber wenn ich nicht bei ihm bin, tut er mir mehr leid als allesandere. Obwohl ich ihn auch dann noch attraktiv finde.»
«Wieso tut er dir denn leid?»
Langsam und sehr behutsam versuchte Belinda einen größeren Zusammenhang herzustellen, als sie ihrem Freund davon berichtete, was sie über Andrés Geschichte wusste.
«Er ist einsam», sagte sie schließlich. «Er hat seine Freundin, seine Verlobte, angebetet und dann verloren. Und er hat all die Jahre damit zugebracht, sie zu vermissen und mit ihr zusammen sein zu wollen. Ich
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