Das Schloss Im Moor
Kaffee ein, liebe Olga!«
Der blinden Mama war es ganz angenehm, daß die gutsehende Zanksteinerin den Besuch überwachen wollte; Frau
Helena gab daher ihre Zustimmung, und Olga ging dem Besucher entgegen.
Baron Hodenberg, der einen großen Blumenstrauß trug, ward beim Anblick der Damen stutzig, scheu blickte er
insbesondere auf Benedikte, deren Aussehen verblüffen mußte. »Ach, sehr überrascht – große
Ehre – die gnädigsten Damen wollen geruhen, mich im Familienkreise zu empfangen – lege mich den verehrten
Damen zu Füßen – ach – gnädiges Fräulein wollen die Gnade haben und diesen Blumen Obdach und
etwas Wasser gewähren – gehorsamster Diener – Baron Hodenberg aus Hannover, der Letzte eines alten
Geschlechts!« Der junge Mann überreichte Olga das Bukett, schritt dann auf Frau Tristner zu und küßte
der blinden Dame ehrerbietig die Hand.
Wenn nun Benedikte die Sprechweise Hodenbergs unsympathisch fand, der junge Mann gefiel ihr, vielleicht sein flachsblonder
Typus, gewiß aber sein Auftreten, welches stark zur Sprache kontrastierte. Benedikte fand die Sprechweise manieriert,
fast wollte es ihr dünken, die Redensarten seien eingepaukt, sie waren nicht in Einklang mit den Körperbewegungen,
dem Auftreten selbst zu bringen. Mit jähem Griff entfernte Fräulein von Zankstein das Monstrum von Strohhut und
forderte durch einen Augenwink Olga auf, die Formalität der Vorstellung zu erledigen.
Das war rasch geschehen, doch weniger schnell vermochte der Baron der Überraschung darüber Herr zu werden,
daß die altgeglaubte Dame nun durch die Hutentfernung in ein junges, aschblondes Fräulein aus adeligem Hause
verwandelt war. »Ach, sehr erfreut!« stammelte Hodenberg.
Belustigt lachte Benedikte auf: »Glaub ich gerne, Baron! Ist meinerseits Vorspiegelung falscher Tatsachen gewesen,
belieben sich zu überzeugen, daß ich eine – junge Schachtel bin, nur die Mantille weist ein ehrwürdiges
Alter auf, auch der Strohhut, den ich Ihnen zu Ehren abgenommen habe.«
Frau Tristner bat den Besucher, mit einer bajuvarischen Jause vorlieb zu nehmen, es könne jedoch auch Kaffee oder
Wein gereicht werden. »Olga, walte deines Amtes! Mich bitte zu entschuldigen, ich entbehre des nötigen
Augenlichtes! Herr Baron finden Gefallen an unserm Besitztum?«
Olga ging zur Besorgung der Jause hinweg und nahm den kostbaren Blumenstrauß mit.
»Ein fürstlich Heim, um das die Herrschaft wahrlich zu beneiden ist. Habe, ach, nicht geglaubt, daß sich
fern von den Verkehrsadern solch herrlicher Besitz befinden würde. Und alles in mustergültigem Betrieb!«
Frau Tristner hielt den Kopf in die Richtung, in der sie den Gast vermutete, sehen konnte sie ihn ja nicht, und horchte um
so angestrengter. Als nun Hodenberg schwieg, meinte die Matrone: »Zu viel des Lobes, mein Herr! Wenn Sie eine
Musterwirtschaft sehen wollen, müssen Sie Zankstein besuchen, das Gut unsrer Freundin, Fräulein von
Zankstein!«
»Ach, noch besserer Betrieb? Wunderbar! Das Moor bietet eine Überraschung nach der andren!«
Nun wehrte Dikte energisch die Lobpreisung ihres Besitzes ab. Ein Besuch sei ihr zwar angenehm, müßte aber dem
Gast eine heillose Enttäuschung bringen, denn ihr Moorgütl sei ein Schluckbesitz.
»Schluckbesitz? Pardon, gnädiges Fräulein, was ist das?«
»Ein Gut, das Geld schluckt und nichts abwirft.«
Das Gespräch drehte sich ein Weilchen um dieses Thema, und Fräulein von Zankstein amüsierte sich über
die zunehmende Verblüffung Hodenbergs, der nicht begreifen konnte, daß man Bargeld fortwährend in ein
unrentables Gut stecke. Sodann sprach der Baron aber so warmfühlig über die Liebe zur heimatlichen Erde, daß
Dikte ihn geradezu lieb gewann und herzlich zu Gaste lud.
Olga kam just in diesem Augenblick, gefolgt von einem Mädchen, das die ländlich einfache Jause brachte. Ob der
herzlich gesprochenen Einladung seitens Diktens empfand Olga ein Unbehagen, das sich rasch zur Eifersucht steigerte, denn der
Baron nahm die Einladung mit begeistertem Dank an und pries sich glücklich, Zutritt in so hervorragende Familien finden
zu können. Der Süden unterscheide sich in dieser Hinsicht vorteilhaft vom kühlen Norden.
So viel und eifrig sich Olga bemühte, zu Wort zu kommen, es konnte ihr nicht gelingen, da Fräulein von Zankstein
den Baron immer wieder ins Gespräch zog und nicht müde wurde, sich über Sitten und Gebräuche im
Hannoverschen Lande berichten zu lassen. Es mußte sich
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