Das Schloss Im Moor
sehen könnte! – Ja, führe mich auf mein Zimmer, und schicke mir dann Eugenie;
die soll mir einen wichtigen Brief schreiben!«
»Kann das nicht ich besorgen, Mama?«
»Nein!«
Einigermaßen ob dieses Mangels an Vertrauen verletzt, schwieg die Tochter und führte Mama die Treppe
hinauf.
Frau Helene saß in ihrem breiten Lehnstuhl und diktierte Eugenie den Brief an einen der Augenärzte
Münchens mit der Bitte um baldiges Erscheinen und Untersuchung der kranken, wahrscheinlich unheilbaren Augen.
»Wir wollen doch die Hoffnung nicht aufgeben, Frau Tristner!« meinte, das Diktat unterbrechend, Eugenie warmen
Tones.
»Bitte schreiben Sie nach meiner Angabe!« erwiderte bestimmt die Witwe und diktierte den Brief zu Ende.
»Und nun schreiben Sie einen zweiten Brief an die Annoncenexpedition in Berlin und setzen Sie ein Inserat auf, in dem
für die Verwaltung eines Schloßgutes und damit verbundener Brauerei in Bayern eine absolut tüchtige
kaufmännisch gebildete Persönlichkeit gesetzten Alters mit feinsten Referenzen gesucht wird. Brausachkenntnisse
nicht absolut nötig. Vermittler ausgeschlossen, Zeugnisse im Original werden prompt zurückgegeben. Persönliche
Vorstellung im Falle vorzüglicher Referenzen unnötig.«
»Sie wollen einen Verwalter anstellen?« rief überrascht Eugenie aus.
»Zunächst soll der Versuch mit einem Inserat gemacht werden.«
»Ja, aber es wird doch in absehbarer Zeit Herr Theo wieder dem Büro vorstehen können?!«
»Ich hoffe auf baldige Wiederherstellung meines Sohnes; ist er so weit, dann muß er sich dem Geschäft im
Außendienst mehr widmen, wir wollen es halten, wie zu Zeiten seines Vaters; das alte Rezept ist das bessere. Finde ich
einen passenden Verwalter, so soll dieser den Bürodienst und die Leitung der Ökonomie übernehmen.«
»Wird sich Herr Theo nicht zurückgesetzt fühlen? Der junge Herr führte die Geschäftsleitung
bisher doch zur Zufriedenheit, nicht?«
»Ich wünsche eine Geschäftsführung nach Vaters Muster; diese ist erprobt. Das Zimmerhocken Theos
taugt nichts, verweichlicht den jungen Menschen völlig und bringt mehr Schaden im Geschäft draußen. Bitte
schreiben Sie! Mißlingt der Versuch, so will ich in München annoncieren.«
»Unmaßgeblich möchte ich sagen, es dürfte überhaupt besser sein, in Münchener Zeitungen
den Posten auszuschreiben. Für Ried paßt unbedingt ein Verwalter süddeutscher Abkunft eher denn ein
Norddeutscher.«
»Das ist richtig! Gut, also inserieren wir in Münchens größter Zeitung.«
»Jawohl!« Gehorsam schrieb Eugenie und unterzeichnete »für Frau Tristner, Witwe«.
»Danke! Und nun bitte ich Sie, meinen Kindern von diesen Briefen nichts zu sagen und die Briefe persönlich am
Postschalter abzugeben, der Diskretion halber.«
Viertes Kapitel
Der Rundgang durch die Besitzung Zankstein war beendet, Fräulein Benedikte führte die Gäste, die fast
gleichzeitig in ihren Wagen angekommen waren, in das altväterlich möblierte, doch recht trauliche Wohngemach, wo
der versprochene Imbiß der Gäste harrte.
Olga war in trefflichster Stimmung, nicht minder aufgeräumt Baron Hodenberg, dem nur die Wahl schwer fiel, falls er
zwischen den jungen Damen entscheiden sollte. Hat Olga Tristner den Schönheitsfehler im Gebiß, eine lästige
Zugabe bei Benedikte von Zankstein sind die Sommersprossen. Vermögend ist Olga, dito Dikte, letztere vielleicht die
bessere Partie, weil Besitzerin eines schuldenfreien Gutes und wie es heißt, eines stattlichen Vermögens, ohne
Anhang; könnte dem Fräulein von Zankstein abgewöhnt werden, alles Geld in das Gut zu stecken, müßte
die Wahl auf ihre stattliche Persönlichkeit fallen. Die Marotte, alte Kleider aufzutragen, müßte dem
Fräulein gleichfalls abzugewöhnen sein. Doch so weit ist man noch nicht, sagte sich Hodenberg und widmete alle
Aufmerksamkeit den Damen.
Beim Anblick der Sektgläser rief Olga erstaunt: »Aber Dikte, was soll denn das heißen?«
Auch Hodenberg guckte überrascht.
»Auf Zankstein bekommt man doch ausgezeichnete Milch!« setzte Olga hinzu.
»Sekt kommt mich billiger!« erwiderte trocken Benedikte und bat Hodenberg um Öffnung der Flasche.
»Zu dienen! Gnädiges Fräulein treiben Verschwendung am hellichten Tage!«
»Durchaus nicht! Für die Gäste die beste Marke! Milch käme mich teurer zu stehen, Zankstein wirft
noch immer nichts ab, ist ein Schluckgut; aber mit der Zeit werde ich siegen, und dann wird Zankstein den
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