Das Schloss Im Moor
Hodenberg bat, beim Sekt bleiben zu dürfen, willigte Theo ein, einigen Flaschen den Hals zu brechen, bestellte
aber vorher für sich und Herrn Wurm von Hohensteinberg Bier.
Als die Humpen auf dem Tische standen und Wurm den ersten Schluck genommen, fragte Theo: »Nun, was sagen Sie, Herr
Feldmarschall in spe, zu Haferditzels Kunst im Biersieden?«
»Süffig, leicht, Neurasthenikerbier! Alle Achtung, ich möchte aber nicht schmeicheln, gnädigster
Herr!«
Hodenberg warf ein: »In mancher Hinsicht an hannoversches Bier gemahnend, nur dunkler und bedeutend leichter! Trinke
aber lieber Sekt zur Nervenberuhigung.«
Wurm hatte aufmerksam zugehorcht und sprach jetzt langsam, fast lauernd: »Sie sind Hannoveraner?«
»Die Hodenbergs sind wie die Hallermund, Platen uralter hannoverscher Adel!« erwiderte der Baron.
Eine peinliche Stille trat ein, die Herren fixierten sich gegenseitig sehr scharf.
Theo legte sich ins Mittel, bot Zigaretten an und bat um Stimmung. Wurm lachte, es blieb aber doch ein gewisser
Mißton, eine merkliche Gereiztheit zurück, und Hodenberg entschuldigte seinen frühen Aufbruch mit Zwang,
dringende Briefe schreiben zu müssen.
Nach seinem Weggang grinste Wurm höhnisch und spottete: »Der wird viel Briefe schreiben mit Sekt im
Schädel!«
»Sie scheinen just keine Sympathie für unsern Gast im Schlosse zu hegen!« meinte Theo gutmütig.
»Nein! Ich habe das Gefühl, daß etwas an dem Manne nicht echt ist!«
»Nicht möglich!« rief überrascht Tristner aus.
»Doch! Beachten Sie nur die Situation, in der wir den Herrn getroffen haben: sitzt der Kerl – Pardon, der
Baron, im Kreise gemeiner Bauern, kneipt mit ihnen Sekt und schwadroniert den Kerls vor, daß er von Heinrich dem
Löwen abstamme! Glauben Sie wirklich, daß ein echter Baron sich soweit vergißt und in solche Situation
bringen wird?«
»Sonderbar allerdings! Hodenberg sagt, er sei gemütskrank!«
»I wo! Psychisches Leiden äußert sich wesentlich anders. Nun, mich hat die Geschichte ja nichts zu
kümmern, zur Zeit wenigstens nicht; als Fürstlich-Triestnerscher Beamter allerdings würde und wird es meine
Pflicht sein, dem Herrn, solange er Gast des Hauses Tristner ist, auf die Finger zu sehen!«
»Huhu!« lachte Theo, »auf die Finger sehen! Sagen Sie doch gleich, der Baron stehle silberne
Löffel! – Es freut mich aber, erneut zu sehen, wie sehr Sie bestrebt sind, unsre Interessen
wahrzunehmen.«
»Bitte, nur meine Pflicht!«
Am Abend erschienen die Herren zu Tisch im Speisesaal, nachdem Wurm der blinden Frau Tristner von Fräulein Olga
vorgestellt worden war. Die Aufnahme war bei den Damen kühl konventionell; um so herzlicher stellte sich Theo zum
Verwalter, den fest zu engagieren er entschlossen war. Olga blieb ablehnend, frostig und gab einsilbige Antworten; Frau
Helene versuchte, sich aus Ton und Sprechweise des Fremden ein Urteil zu bilden, da ja ihre Augen den Dienst versagten.
Eugenie war nicht zu Tisch erschienen. Als Theo nach ihr fragte, gab Olga Auskunft dahin, daß dringende Arbeit Eugenie
oben noch festhalte. Unvermittelt wandte sich Olga an den Bruder mit der Frage, weshalb Baron Hodenbergs Platz am
Familientisch leer sei.
»Pardon, habe ganz vergessen, Hodenberg ließ sich entschuldigen, er muß dringende Briefe
schreiben.«
An der Verbindungstüre, die im oberen Teile eine Glasfüllung hatte, tauchte ein Frauenkopf auf, neugierige Augen
funkelten und musterten den fremden Gast am Familientische. Nur einen Moment, dann verschwand der Frauenkopf vom
Türfenster.
Früh zogen sich die Damen zurück, es mußte Olga die Mutter hinaufführen, da Eugenie gegen alle
Übung und Gewohnheit unsichtbar blieb, und Mama auch zu Bett bringen.
Theo ließ Wein bringen und verweilte in Wurms Gesellschaft noch ein Stündchen, um sodann den Gast in eines der
Fremdenzimmer zu geleiten. Morgen sollte der Vertrag entworfen und unterzeichnet werden.
Siebentes Kapitel
Vom Weitsee herein steuerte ein Fischer seinen mit Beute beladenen Kahn am Morgen. Je näher es der schilfbewachsenen
Buchtung zuging, desto kräftiger mußte der Fischer arbeiten, im Kleinsee nahe dem Dorfe war der Wasserstand
gering, die Binsen standen dicht und hemmten den Nachen. Plötzlich ließ der Fischer das Ruder sinken, entsetzt
fiel sein Blick auf einen Frauenkörper im Wasser mit ausgebreiteten Armen, das Gesicht dem Wasser zugekehrt. Vom
Wellenschlag bewegt, schwankte die Leiche dem Ufer zu. Trotz des
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