Das Schloss Im Moor
Wiederbelebungsversuche
angestellt und sein Weib nach dem Rieder Arzt geschickt habe. Mehr wußte der Fischer nicht anzugeben.
Der Fall schien sonach rätselhaft zu werden. Doktor Thein ließ Theo kommen und fragte den befreundeten
Schloßherrn nach etwaigen Selbstmordmotiven der Toten.
Theo beteuerte, davon keine Ahnung zu haben. Eugenie war wie immer seit ihrem Dienstantritt still, arbeitsam, bescheiden,
taktvoll, wohlgelitten und beliebt, als Hausdame eine Perle. Über ihre Familienverhältnisse wußte Theo nichts
anzugeben. Über seine Neigung zur Verstorbenen hütete er sich, ein Wort zu sagen.
Der Richter wollte an Mord nicht glauben und forschte daher hartnäckig nach Motiven zu einem Selbstmord. Ob
irgendeine seelische Verstimmung in letzter Zeit wahrzunehmen gewesen, ein besonders aufregendes Ereignis eingetreten
sei.
Da Theo absolut nichts dergleichen anzugeben wußte und über die Familienverhältnisse der Toten keinerlei
Informationen hatte, beschloß Doktor Thein trotz der Bitte, Mama Tristner nicht zu verhören, sich an die blinde
Dame um Auskunft über das Vorleben Eugeniens zu wenden. Vorerst aber sollte der Arzt die Obduktion vornehmen. Es wurde
die Leiche in die provisorische Kanzlei geschafft, und Doktor Freysleben ging an das traurige Werk, wobei er seine
Wahrnehmungen dem Schreiber diktierte. Die Hauptpunkte waren: Aus Mund und Nase sickert eine schmutzig rötlichgelb
gefärbte Flüssigkeit, an der Zungenspitze bemerkt man Spuren von Zähneeindrücken, am Halse sind keine
Spuren einer äußerlich angetanen Gewalt wahrnehmbar. Dagegen sei hinter der rechten Ohrmuschel die ganze
rückwärts gelegene Gegend von der Epidermis entblößt, hellrot gefärbt mit einzelnen dunklen Flecken
und etwas angeschwollen. Die rechte Ohrmuschel und der linke Teil der linken ist bläulichrot gefärbt, unter der an
allen diesen Stellen eingeschnittenen Haut bemerkt man größere Blutunterlaufungen. Unter der Faszie, welche die
Kopfnicker bedeckt, sowie am oberen Teile des Brustbeines bemerkt man gleichfalls ausgedehnte Blutunterlaufungen. Nach
vorgenommenem Einschnitt zeigen sich beide Kopfnicker stark hyperämisch.
Eine ganze Reihe spezifisch ärztlicher Wahrnehmungen sowie den Befund der inneren Organe notierte Doktor Freysleben
sich stenographisch und gab schließlich das Gutachten mit aller Bestimmtheit zu Protokoll: Aus der Obduktion ergibt
sich, daß die Verblichene eines unnatürlichen plötzlichen Todes gestorben ist. Der Tod trat ein zufolge
Verhinderung des Lufteintrittes in die Luftwege, die bewirkt wurde durch einen mit fremder Hand und großer Gewalt
ausgeführten Druck auf die Luftröhre. Es genügte hierzu die Kraft eines einzigen Mannes; ob bei der
Erdrosselung mehrere Personen beteiligt waren, läßt sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Tod durch Ertrinken,
eventuell Selbstmord durch Ertränken ist unbedingt ausgeschlossen. Was die Erdrosselungsart und das dabei benutzte
Werkzeug betrifft, sei erklärt, daß der Mörder die Hände benützte, daß mit Daumen und
Zeigefinger oberhalb des Schlüssel- und des Brustbeines auf die Luftröhre der Eugenie Dobler ein starker Druck
ausgeübt worden ist.
Dieses Gutachten unterzeichnete Doktor Freysleben als Sachverständiger und erklärte dem Untersuchungsrichter
gegenüber, daß er bereit sei, sein Gutachten zu beeiden.
Doktor Thein schüttelte den Kopf. Dieser Fall war rätselhaft; für einen Selbstmord nicht der geringste
Anhalt, das ärztliche Gutachten behauptete Vorliegen einer gewaltsamen Tötung, von einem Mörder keine, nicht
die geringste Spur. Soviel auch der Richter den Inhalt der Rocktasche im Kleide Eugeniens besah, nichts ließ auf
Beraubung schließen, es war sogar noch ein goldenes Halskreuzchen an einer Schnur vorhanden, ein Schmuckstück von
einigem, wenn auch nicht großem Werte, das ein Mörder sicherlich weggerissen und an sich genommen haben
würde.
So leicht gab aber der Richter die Hoffnung auf Klärung nicht auf. Er ließ, nachdem die Leiche wieder in das
Beinhaus gebracht worden war, den Fischer nochmals kommen und fragte ihn, wo er nach Bergung des Körpers die
Wiederbelebungsversuche nach Fischerbrauch vorgenommen habe.
Der Fischer erwiderte, daß dies durch starkes Reiben hinter beiden Ohren geschehen sei.
Sofort machte der Amtsrichter den Doktor Freysleben auf diese Zeugenaussage aufmerksam, da diese eine Stelle im Gutachten
zu erklären scheine, nämlich die Entblößung der Partie
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