Das Schloss Im Moor
eine Grimasse und enteilte. Im Schlosse erfuhr der
Verwalter, daß Fräulein Olga im Musiksalon weile. Sein hastiges Eintreten schreckte das Mädchen aus dem
Sinnen auf, unangenehm berührt fragte Olga, wie sich der Verwalter erkühnen könne, sie hier in ihrem Bereich
zu stören.
Eine höfliche Entschuldigung vorbringend, übermittelte Wurm den Wunsch Mamas und blieb vor dem Fräulein
stehen.
»Was wollen Sie denn noch?«
»Ich bitte um eine Minute Audienz in wichtiger Angelegenheit! Seit zwei Tagen bemühe ich mich vergebens,
gnädiges Fräulein ohne Zeugen sprechen zu können . . .«
»Ich wüßte nicht, was wir zu besprechen haben sollten!«
»Doch! Ich war bei Gericht, es ist mir gelungen, von Hodenberg den Ring, welchen gnädiges Fräulein ihm
geschenkt, zurückzuerhalten . . .«
Erregt sprang Olga auf, hastig rief das Mädchen: »Wie kommen Sie dazu?«
»Verzeihen, gnädiges Fräulein! Ich intervenierte allerdings ohne Mandat, glaube aber richtig gehandelt zu
haben. Mit dem Ring, den ich zu übergeben die Ehre habe, ist jegliche Bloßstellung Ihrer verehrten Person
unmöglich geworden, und dies zu erreichen, war mein Ziel.« Wurm überreichte Olga den von Hodenberg erhaltenen
Verlobungsring, den sie sogleich in die Tasche verschwinden ließ.
»Hat der Baron den Ring – gutwillig hergegeben?«
»Ja! Ich sicherte ihm meinen Beistand zu, falls Hodenberg die Beistellung eines tüchtigen Advokaten
benötigen sollte. Es wird aber der beste Anwalt keine Reinwaschung erzielen können . . .«
»Weshalb nicht?«
»Weil der Verhaftete wirklich nicht Baron Hodenberg aus Hannover ist!«
»Was ist er dann?«
»Das vermag ich nicht zu sagen, dem Dialekt nach stammt er aus Hamburg. Der anscheinend tüchtige Amtsrichter
wird wohl die völlige Entlarvung herbeiführen, und wir werden dann erfahren, welcher Gauner sich die Baronie
Hodenberg beigelegt und unter falscher Flagge in das Haus Tristner eingeschlichen hat.«
»Sie sehen zu schwarz, ich kann es nicht glauben! Immerhin danke ich Ihnen für Ihre Bemühung und bitte Sie
zugleich um Diskretion! Es darf niemand im Hause wissen, daß ich . . .«
»Meiner vollen Verschwiegenheit dürfen gnädiges Fräulein sicher sein, auch dann, wenn Sie noch weiter
mich in gänzlicher Verkennung meiner guten Absicht schlecht behandeln werden.«
»Habe ich das getan? Bitte, es war nicht beabsichtigt, verzeihen Sie mir! Ich leide entsetzlich, bin manchmal wirren
Sinnes, der Fall Hodenberg bringt mich noch um den Verstand, und in solcher Lage verkennt man mitunter die guten Freunde! Sie
haben mir wirklich einen Freundschaftsdienst erwiesen, ich danke Ihnen vielmals! Also Diskretion! Ich eile nun zu
Mama!« Olga reichte dem Verwalter die Hand und duldete seinen ehrerbietigen Kuß auf die schmale Rechte.
Ein triumphierender Blick folgte der graziösen Gestalt, und allein im Musiksalon rieb sich Wurm vergnügt die
Hände.
Dreizehntes Kapitel
Durch Geschäfte unaufschiebbarer Art war Doktor Thein immer wieder vom beabsichtigten Besuch der Familie Tristner
abgehalten worden und damit auch von einer Aussprache mit Fräulein Olga sowohl in eigener als auch in Angelegenheit
Hodenbergs und des Verwalters. Und wenig angenehm waren die Gedanken, sofern das Studium dringender Akten ein privates
Sinnieren gestattete. Die Persönlichkeit Wurms beschäftigte den Richter intensiver als die bevorstehende Entlarvung
Hodenbergs, doch war alles Nachdenken darüber, was ihm Wurm so bekannt erscheinen ließ, vergeblich. Im eigenen Amt
hatte eine Begegnung früher kaum stattgefunden, vielleicht aber zur Zeit, da Doktor Thein noch Praktikant an einem
auswärtigen Gericht gewesen war. War dem aber wirklich so, dann müßte Wurm mit dem Staatsanwalt schon in
Kollision geraten sein und als Angeklagter vor Gericht gestanden haben. Ein fataler Gedächtnisfehler, es wollte die
Erinnerung sich nicht einstellen, weder an einen Gerichtsfall noch an den richtigen Namen. Ob der Verwalter unter seinem
wirklichen Namen engagiert worden ist?
Theins Grübeln hatte keinen Erfolg, und schließlich verzichtete der Richter auf jede
Gedächtnisauffrischung, da er nicht einer Marotte wegen um jeden Preis einen vielleicht hochanständigen Mann zum
gerichtsbekannten Individuum stempeln wollte. Eines Tages lief nun ein Amtsschreiben der Hamburger Polizeidirektion ein,
dessen Lektüre Thein einen Jubelruf entlockte. Schwarz auf weiß war die Kunde zu lesen, daß der angebliche
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