Das Schloss Im Moor
dann die bittere Peitsche!« jammerte Theo.
»Sie sind doch ein Kind! Glauben Sie denn, eine Dame wird Ihnen einen Heiratsantrag machen? So bequem dürfen
Sie sich das Leben nicht vorstellen, das Leben ist ein Kampf! Auf Schloß Ried wird zu wenig gekämpft, die Leute
haben zu viel Mammon! Für Sie wäre es wahrlich besser, wenn Sie tüchtig schaffen würden; die Anstellung
eines Verwalters ist höchst überflüssig gewesen. Werfen Sie den Menschen sobald als möglich wieder
hinaus!«
»So einfach ist die Sache nicht! Ich wollte allerdings gleich am ersten Tage des Dienstantrittes kündigen,
wagte es aber nicht, der Mann hat so seltsame Augen. Und jetzt ist er trotz der kurzen Zeit seiner Tätigkeit
Vertrauensmann Mamas; da käme ich übel an, wenn ich, der Wurm engagierte, ihn nun hinausbeißen wollte. Mit
Mama ist zu Zeiten nicht gut Kirschen essen!«
»So? Muß wieder mal nachsehen, gucken, wie der Hase läuft!«
Das Gespräch änderte sich, da Benedikte Näheres über den Stand der Affäre Hodenberg wissen
wollte. Theo vermochte aber keine Neuigkeiten zu bieten und ward alsbald auf drollig resolute Weise heimgeschickt.
Im Wagen hing Theo seinen Gedanken nach und fand, daß trotz der Sommersprossen Benedikte wirklich ausgezeichnet zu
ihm passen, eine prächtige Frau sein würde, tüchtig, entschlossen und eigentlich ganz hübsch. Vielleicht
läßt sich die Angelegenheit deichseln, das Diktum vom Nichtheiratenwollen wird nicht so ernsthaft zu nehmen sein.
Damen, welche das Heiraten verschwören, greifen sehr gern zu, so der Rechte kommt. Im Grunde genommen konnte ja
Benedikte nicht sofort einwilligen, eine eigentliche Werbung hatte Theo auch nicht vorgebracht. So beschloß denn der
junge Schloßherr, Zankstein als Festung anzusehen und so lange zu belagern, bis Benedikte die Parlamentärflagge
hissen wird.
Heimgekehrt fand Theo ein zierlich Brieflein mit dem Poststempel »Wien« vor, bei dessen Lektüre ihm
schwül wurde. Jäh war die Erinnerung an das Reiseabenteuer wachgerufen. Fräulein Senta Camacero, die
Reisegenossin, kündigte für morgen Besuch an, im voraus für freundliche Gastfreundschaft dankend und um
Abholung von der Bahnstation bittend. Die Bescherung ist da, alles Fluchen hilft nichts mehr, die Reue über die
unvorsichtig gegebene Einladung bringt keine Änderung der fatalen Situation. Nichtabholung wäre Brutalität und
bildet keine Gewähr, daß die Dame auf den Besuch verzichten wird.
Theo zermarterte den Kopf, wie er Mama und Olga den Besuch erklären soll, ohne sich bloßzustellen oder das
Abenteuer zu verraten. Nichts, nicht ein rettender einziger Gedanke will sich einstellen. Eine Riesenblamage ist im Anzug,
der Verdruß wird heillos werden.
In seiner Angst suchte Theo den Verwalter, den er im Brauereitrakt fand und sofort um Hilfe in gräßlicher
Verlegenheit bestürmte, des durchbohrenden Blickes wie des satanischen Lächelns Wurms nicht achtend.
Der Verwalter bemeisterte sich sofort und erklärte sich bereit, Fräulein Camacero als Kusine zu übernehmen,
welcher die Familie Tristner jedoch Gastfreundschaft im Schlosse gewähren müßte, da er in seiner
Junggesellenstube eine Dame nicht aufnehmen könne.
Theo jubelte ob dieser Rettung aus gräßlicher Verlegenheit und sicherte vollste Gastfreundschaft zu, nur
müßte Wurm der Mama Mitteilung von der bevorstehenden Ankunft der Kusine machen und um Beherbergung für kurze
Zeit bitten.
»Gut! Aber nur unter der Bedingung, daß Sie das Fräulein von der Bahn abholen und informieren. Die
Camacero muß eingeweiht werden, auf daß sie ihre Rolle auch gut spielen kann und Sie nicht blamiert. Da man in
solchen Fällen nicht wissen kann, wie lange der Schwindel durchzuführen ist, wird es gut sein, wenn Sie der
Camacero einen größeren Betrag zu einer etwa nötig werdenden plötzlichen Abreise im voraus
zustecken.«
»Wird sie denn das nicht übelnehmen müssen?«
»Die Camacero nicht!«
Der wegwerfende Ton dieser Äußerung war Theo auffällig, doch achtete er in seiner Freude, der Verlegenheit
zu entrinnen, nicht weiter darauf.
Wunschgemäß begab sich Wurm zu Frau Tristner und bat die Gebieterin um gnädige Bequartierung seiner
Kusine, deren plötzliche Ankunft ihn ebenso überrasche wie bedrücke. In ihrer Herzensgüte, dem Verwalter
wohlgesinnt, sicherte Frau Helene freundliche Aufnahme der Kusine zu und gab Olga Auftrag, das Nötige zu veranlassen.
Theo schlich herum wie der Fuchs um die
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