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Das Schloss in Frankreich

Das Schloss in Frankreich

Titel: Das Schloss in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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auch die Antwort schuldig. Sie verhielt sich völlig passiv in seinen Armen, und ihr Mut versank in Hoffnungslosigkeit.
    Als er sie losließ, blickte sie zu ihm auf. Sie verabscheute den feuchten Schleier, der ihre Augen umwölkte. »Sie sind im Vorteil, Christophe, und werden jeden körperlichen Kampf gewinnen.« Ihre Stimme war ruhig und absichtlich gelassen, und seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als bestürzte ihn ihre Reaktion. Er hob die Hand, um einen Tropfen von ihrer Wange zu wischen. Sie zuckte zurück, tat es selbst und unterdrückte die Tränen.
    »Für heute habe ich genügend Demütigungen von Ihnen erfahren, werde aber Ihnen zuliebe nicht in einen Tränenstrom ausbrechen.« Ihre Stimme klang fester, als sie die Selbstbeherrschung wiedergewann, und ihre Schultern strafften sich, während Christophe ihre Veränderung schweigend zur Kenntnis nahm. »Wie Sie schon sagten, es ist an der Zeit, aufzubrechen.«
    Sie wandte sich um und ging den Weg zurück zu der Stelle, wo die Pferde auf sie warteten.
    Die warmen Sommertage verliefen ruhig. Die Sonne schien, und die Blumen dufteten süß. Während der Tagesstunden widmete Shirley sich hauptsächlich der Malerei. Sie zeichnete und malte voller Begeisterung das eindrucksvolle Schloss. Zunächst war sie verzweifelt und schließlich verärgert darüber, dass Christophe ihr bewusst aus dem Weg ging. Seit dem Nachmittag auf der Klippe am Meer hatte er kaum ein Wort mit ihr gewechselt. Nur wenn es sich gar nicht vermeiden ließ, sprach er ernst und höflich mit ihr. Ihr Stolz besänftigte jedoch ihren Schmerz, und auch die Malerei lenkte sie von Christophe ab.
    Die Gräfin erwähnte den verschwundenen Raphael nicht wieder, und Shirley war froh über diesen Zeitaufschub, der es ihr erlaubte, die Gräfin näher kennen zu lernen, ehe sie sich weiter mit dem Verschwinden des Gemäldes und dem gegen ihren Vater gerichteten Verdacht auseinander setzte.
    Als sie wieder einmal tief in ihre Arbeit versunken war -- mit verschossenen Jeans und einem fleckigen Arbeitskittel bekleidet, das Haar zerzaust --, bemerkte sie, dass Genevieve über den weichen Rasenteppich auf sie zukam. Eine wunderschöne bretonische Fee, dachte Shirley, klein und bezaubernd in einer lederfarbenen Reitweste und dunkelbraunen Reithosen.
    »Guten Tag«, rief sie, als Shirley die schmale Hand zum Gruß hob. »Ich hoffe, dass ich Sie nicht störe.«
    »Natürlich nicht. Es ist nett, dass Sie sich einmal blicken lassen«, erwiderte sie völlig ungezwungen, weil sie sich tatsächlich freute. Sie lächelte und legte den Pinsel zur Seite.
    »Jetzt habe ich Sie unterbrochen« entschuldigte sich Genevieve.
    »Eine willkommene Ablenkung.«
    »Darf ich mir ansehen, was Sie malen? Oder möchten Sie es nicht, ehe das Bild beendet ist?«
    »Selbstverständlich können Sie es sich anschauen. Sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
    Genevieve stellte sich neben Shirley. Der Hintergrund war vollendet: der azurblaue Himmel, die flockigen Wolken, lebhaftes grünes Gras und majestätische Bäume. Das Schloss selbst nahm allmählich Gestalt an: die grauen Mauern, die sich wie Perlenschnüre vom Sonnenlicht abhoben, die hohen, glitzernden Fenster, die Wachtürme. Daran musste sie noch lange arbeiten, doch selbst in dieser unvollendeten Form spiegelte das Bild bereits die märchenhafte Stimmung wider, die Shirley vorgeschwebt hatte.
    »Ich habe dieses Schloss von jeher geliebt.« Genevieve blickte noch immer auf die Leinwand. »Jetzt erkenne ich, dass es Ihnen ebenso geht.« Die braunen Augen lösten sich von dem halb vollendeten Gemälde und sahen Shirley an. »Sie haben seine Wärme und auch seinen Hochmut eingefangen. Ich freue mich darüber, dass wir gleicher Ansicht sind.«
    »Vom ersten Augenblick an habe ich mich in das Schloss verliebt«, gestand Shirley. »Je länger ich hier bin, desto hoffnungsloser verliere ich mich.« Sie seufzte, denn ihre Worte schlossen den Mann ein, dem dieses Besitztum gehörte.
    »Ich bewundere Ihr Talent. Hoffentlich sinke ich nicht in Ihrer Achtung, wenn ich Ihnen ein Geständnis mache.«
    »Aber natürlich nicht.« Shirley war zugleich überrascht und neugierig.
    »Ich beneide Sie über alle Maßen«, stieß Genevieve hervor, als könnte der Mut sie verlassen.
    Ungläubig blickte Shirley in das schöne Gesicht. »Sie beneiden mich?«
    »Ja.« Genevieve zögerte einen Augenblick lang, doch dann überschlugen sich ihre Worte: »Nicht nur wegen Ihrer künstlerischen Begabung, sondern

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