Das Schloss in Frankreich
alt.
»Wir werden im Dorf getraut«, fuhr Catherine fort, und Shirleys Interesse wuchs. »Dann werden wir zum Schloss zurückkehren und im Garten singen und tanzen. Der Graf ist sehr freundlich und großzügig. Er sagte, dass wir bei Champagner feiern werden.«
Shirley beobachtete interessiert, wie sich die Freude in Ehrfurcht verwandelte.
»Freundlich«, flüsterte sie. Freundlichkeit passte so überhaupt nicht zu Christophe. Sie atmete tief und erinnerte sich seiner zuvorkommenden Haltung Genevieve gegenüber. Offensichtlich brachte sie es nicht fertig, dass er sich ihr gegenüber ebenso verhielt.
»Mademoiselle, Sie haben so viele wunderhübsche Sachen.« Shirley blickte auf und sah, dass Catherine ein weißes Nachtgewand streichelte, mit sanften, verträumten Augen.
»Mögen Sie es?«
Sie erhob sich, betastete den Saum, erinnerte sich der seidigen Berührung mit ihrer Haut und ließ es dann wie eine Schneeflocke zu Boden gleiten.
»Aber ja, Mademoiselle.« Mit einem Seufzer typisch weiblicher Bewunderung und Putzsucht wollte Catherine es in den Schrank hängen.
»Es gehört Ihnen«, entschied Shirley impulsiv. Das Mädchen wich einige Schritte zurück, und die sanften Augen öffneten sich weit.
»Was haben Sie gesagt, Mademoiselle?«
»Es gehört Ihnen«, wiederholte sie und begegnete lächelnd dem erstaunten Blick. »Es ist ein Hochzeitsgeschenk.«
»Aber das kann ich nicht annehmen. Es ist viel zu schön«, stammelte sie flüsternd. Sehnsüchtig betrachtete Catherine das Gewand und drehte sich wieder zu Shirley um.
»Doch, natürlich. Es ist ein Geschenk, und ich würde mich freuen, wenn Sie es annähmen.« Sie sah sich das einfache seidene Nachtkleid an, das Catherine an die Brust hielt, neidisch und hoffnungslos. »Es wurde für eine Braut geschneidert, und Jean-Paul wird Sie darin wunderschön finden.«
Catherine seufzte tief und hielt Tränen der Dankbarkeit zurück. »Ich werde es immer in Ehren halten.« Hierauf folgte ein Strom bretonischer Dankesbezeugungen. Die schlichten Worte belebten Shirley.
Sie verließ das Zimmer, in dem die künftige Braut sich verträumt und glücklich im Spiegel betrachtete.
Am Hochzeitstag von Catherine strahlte die Sonne mild,
und über den hellblauen Himmel zogen freundliche weiße Wölkchen.
Während der vergangenen Tage war Shirley zunächst niedergeschlagen und schließlich verstimmt gewesen. Christophes abweisendes Benehmen hatte ihr Temperament entflammt, doch sie zügelte es hochmütig.
Das Ergebnis waren Bemerkungen, die sich auf wenige höfliche Sätze beschränkten.
Zwischen ihm und der Gräfin stand sie auf dem winzigen Rasenstück der Dorfkirche und erwartete die Trauungsprozession. Eigentlich wollte sie ein rohseidenes Kleid tragen, weil es so kühl und unnahbar wirkte, doch die königliche Hand der Großmutter hatte dagegen Einspruch erhoben. Stattdessen trug Shirley jetzt ein Kleid ihrer Mutter, dessen Lavendelparfüm wie frisch vom gestrigen Tag duftete. Sie wollte überlegen und distanziert aussehen, doch nun glich sie einem jungen Mädchen, das sich auf ein Tanzvergnügen freut.
Der weite gefaltete Rock berührte nur die bloßen Waden. Seine leuchtend roten und weißen Längsstreifen waren von einer weißen Schürze bedeckt.
Die ausgeschnittene Bauernbluse schmiegte sich an die schmale Taille, und die kurzen Puffärmel überließen die Arme der Sonnenwärme. Eine schwarze ärmellose Weste unterstrich die feine Linie ihrer Brust, und ein bändergeschmückter Strohhut zierte ihre helle Lockenpracht.
Christophe hatte ihr Aussehen mit keinem Wort gewürdigt, sondern nur leicht den Kopf geneigt, als sie die Treppe herunterschritt, und jetzt setzte Shirley den stummen Krieg fort, indem sie sich ausschließlich mit ihrer Großmutter unterhielt.
»Sie werden vom Haus der Braut aus hierher kommen«, bemerkte die Gräfin. Obwohl Shirley sich in der Nähe des Mannes, der hinter ihr stand, unbehaglich fühlte, bemühte sie sich um höfliche Aufmerksamkeit. »Ihre gesamte Familie wird sie auf ihrem letzten Weg als Mädchen begleiten. Dann wird sie ihrem Bräutigam begegnen, mit ihm die Kapelle betreten und seine Frau werden.«
»Sie ist so jung«, seufzte Shirley leise auf, »fast noch ein Kind.«
»Nun, sie ist alt genug, um eine Frau zu werden, mein erwachsenes Fräulein.« Leicht lachend tätschelte die Gräfin Shirleys Hand. »Ich war nur wenig älter, als ich Ihren Großvater heiratete. Alter hat wenig mit Liebe zu tun. Findest du das nicht
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