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Das Schloss in Frankreich

Das Schloss in Frankreich

Titel: Das Schloss in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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hellblauen Himmel abhob. Die unzähligen hohen Fenster standen dicht beieinander und reflektierten das Sonnenlicht in allen nur erdenklichen Farben. Shirley verliebte sich auf Anhieb in das Vertrauen erweckende alte Schloss.
    Christophe beobachtete, wie sich Überraschung und Freude in ihrem offenen Gesicht abwechselten, während ihre Hand noch immer weich und leicht auf seinem Arm lag. Eine einzelne Locke war ihr in die Stirn gefallen. Er wollte sie zurückstreichen, unterließ es dann aber.
    Shirley war in den Anblick des Schlosses versunken. Sie malte sich schon die Winkel aus, die sie zeichnerisch festhalten würde. Dabei stellte sie sich den Festungsgraben vor, der einst wahrscheinlich das Schloss umgeben hatte.
    »Es ist traumhaft«, sagte sie schließlich und sah ihren Begleiter an. Hastig zog sie ihre Hand von seinem Arm zurück. »Wie im Märchen. Ich höre die Trompetenklänge, sehe die Ritter in ihren Rüstungen und die Damen in schwebenden Gewändern und hohen, spitzen Hüten. Gibt es hier auch einen Drachen?« Sie lächelte ihn an.
    »Höchstens Marie, die Köchin.« Einen Augenblick lang fiel seine kühle, höfliche Maske ab. Mit einem schnellen Blick erfasste sie das entwaffnende Lächeln, das ihn jünger und zugänglicher machte.
    Er ist also doch ein wenig menschlich, entschied sie. Als ihr Puls sich beschleunigte, gestand sie sich ein, dass er, wenn schon menschlich, umso gefährlicher war. Ihre Augen trafen sich, und sie hatte das eigenartige Gefühl, völlig allein mit ihm zu sein. Georgetown schien am Ende der Welt zu liegen.
    Doch der charmante Begleiter fiel gleich wieder in die Rolle des förmlichen Fremden zurück: Christophe setzte die Fahrt schweigend fort, verschlossen und kühl nach dem kurzen, freundlichen Zwischenspiel.
    Sei vorsichtig, ermahnte Shirley sich. Deine Fantasie spielt dir einen Streich. Dieser Mann ist nicht für dich geschaffen. Aus irgendeinem unbekannten Grund mag er dich nicht einmal, und trotz eines einzigen flüchtigen Lächelns bleibt er ein gefühlloser, herablassender Aristokrat.
    Christophe brachte das Auto an einer weiten, gewundenen Auffahrt zum Stehen. Sie bogen in einen gepflasterten Hof ein, an dessen Mauern Phlox wucherte. Schwungvoll verließ er den Wagen, und Shirley tat es ihm gleich, ehe er ihr behilflich sein konnte. Sie war so entzückt von der märchenhaften Umgebung, dass sie sein Stirnrunzeln über ihre Eigenmächtigkeit überhaupt nicht bemerkte.
    Er nahm ihren Arm und führte sie die Steinstufen hinauf zu einer schweren Eichentür. Er zog an dem schimmernden Griff, neigte leicht den Kopf und forderte sie auf, einzutreten.
    Der Fußboden der riesigen Eingangshalle war spiegelglänzend poliert und mit erlesenen handgeknüpften Teppichen belegt. An den getäfelten Wänden hingen farbenfrohe, unglaublich alte Tapisserien. Die Balkendecke und ein Jagdtisch aus Eichenholz waren mit anheimelnder Alterspatina überzogen. Eichenstühle mit handgearbeiteten Sitzen und der Duft frischer Blumen belebten den Raum, der ihr merkwürdig bekannt vorkam. Ihr schien, als hätte sie gewusst, was sie beim Betreten dieses Schlosses erwartete, und die Halle hieß sie willkommen.
    »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?« Christophe bemerkte ihren verwirrten Gesichtsausdruck.
    Sie schüttelte den Kopf. »Seltsam, es ist, als hätte ich dies alles schon einmal gesehen, und zwar mit Ihnen.« Sie atmete tief und bewegte unruhig die Schultern. »Es ist wirklich sehr eigentümlich.«
    »Also hast du sie endlich hierher gebracht, Christophe.«
    Shirley sah, wie ihre Großmutter auf sie zukam.
    Die Gräfin de Kergallen war groß und fast ebenso schmal wie Shirley. Ihr Haar leuchtete weiß und umrahmte das scharfe, kantige Gesicht, dessen Haut den Altersfältchen trotzte. Die Augen unter den wunderschön geschwungenen Brauen waren stechend blau. Sie hielt sich königlich aufrecht wie eine Frau, die weiß, dass sechzig Lebensjahre ihre Schönheit nicht zu schmälern vermochten.
    Diese Dame ist eine Gräfin vom Scheitel bis zur Sohle, dachte Shirley.
    Die Gräfin betrachtete Shirley bedächtig und intensiv, und nach einem kurzen Aufleuchten war das Gesicht gleich wieder unbeweglich und beherrscht. Sie streckte ihre schön geformte, mit Ringen geschmückte Hand aus.
    »Willkommen im Schloss Kergallen, Shirley Smith. Ich bin Gräfin Frangoise de Kergallen.«
    Shirley umfasste die Hand und fragte sich absonderlicherweise, ob sie sie küssen und einen Knicks machen müsste. Der Handschlag

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