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Das Schloss in Frankreich

Das Schloss in Frankreich

Titel: Das Schloss in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Aufmerksamkeit dem Lachs in Sahnesoße. Vielleicht mag er Frauen im Allgemeinen nicht.
    Als sie zu ihm hinübersah, blickte er sie so durchdringend an, dass sie einen elektrischen Schlag zu spüren glaubte. Nein, berichtigte sie sich schnell, entzog sich seinem Blick und betrachtete den klaren Weißwein in ihrem Kelch, er ist kein Frauenfeind. Diese Augen wissen viel und sind erfahren. Auf Tony habe ich nie auf diese Weise reagiert. Sie hob errötend ihr Glas und probierte den Wein.
    »Stephan«, kommandierte die Gräfin, »schenken Sie Mademoiselle noch etwas Wein nach.«
    Der an den eilfertigen Diener gerichtete Befehl der Gräfin riss Shirley aus ihren Betrachtungen. »Nein, danke. Ich bin vollauf zufrieden.«
    »Als Amerikanerin sprechen Sie ein sehr gutes Französisch«, bemerkte die alte Dame. »Ich bin froh, dass Sie eine gute Erziehung genossen haben, selbst in jenem barbarischen Land.«
    Ihr geringschätziger Ton war derart anmaßend, dass Shirley nicht wusste, ob sie beleidigt oder belustigt auf die Missachtung ihrer Nationalität reagieren sollte. Trocken erwiderte sie: »Madame, das barbarische Land heißt Amerika und ist mittlerweile nahezu zivilisiert. Inzwischen vergehen buchstäblich Wochen, ohne dass es zu Übergriffen der Indianer kommt.«
    Das stolze Haupt hob sich majestätisch. »Kein Grund für Unverschämtheiten, Mademoiselle.«
    »Wirklich?« lächelte Shirley arglos. Als sie das Weinglas hob, bemerkte sie erstaunt, dass Christophe sich königlich zu amüsieren schien.
    »Von Ihrer Mutter haben Sie das sanfte Aussehen geerbt«, flocht die Gräfin ein, »doch von Ihrem Vater die vorlaute Offenherzigkeit.«
    »Danke.« Shirley begegnete den scharfen blauen Augen mit einem zustimmenden Nicken. »Beides zählt.«
    Bis zum Ende der Mahlzeit erschöpfte die Unterhaltung sich wieder in Belanglosigkeiten. Die Pause glich einem Waffenstillstand, und Shirley fragte sich noch immer nach dem Grund für den Kriegsausbruch. Sie begaben sich wieder in den Salon, wo Christophe es sich in einem mächtigen Polstersessel gemütlich machte und einen Cognac genoss, während die Gräfin und Shirley Kaffee aus hauchdünnen Porzellantassen tranken.
    »Jacques le Goff, der Verlobte von Gabrielle, begegnete Jonathan Smith in Paris«, begann die Gräfin ohne Überleitung. Shirley setzte die Tasse ab und richtete die Augen auf das energische Gesicht. »Er war vom Talent Ihres Vaters ziemlich beeindruckt und beauftragte ihn, Gabrielles Porträt als Hochzeitsgeschenk zu malen.«
    »Meine Mutter war mit einem anderen Mann verlobt, ehe sie meinen Vater heiratete?«
    »Ja. Eine Absprache, die zwischen den beiden Familien seit Jahren bestand. Gabrielle gab ihr Einverständnis. Jacques war ein guter Mann, mit solidem gesellschaftlichem Hintergrund.«
    »Demnach wollten sie eine Vernunftehe eingehen?«
    Die Gräfin wischte Shirleys Missfallen mit einer knappen Geste hinweg. »Das ist ein alter Brauch, und wie ich schon sagte, war Gabrielle durchaus damit einverstanden. Jonathan Smiths Ankunft im Schloss veränderte alles. Wäre ich mehr auf der Hut gewesen, hätte ich die Gefahr erkannt, die Blicke besser gedeutet, die sie miteinander austauschten, und Gabrielles Erröten, wenn sein Name ausgesprochen wurde.«
    Frangoise de Kergallen seufzte tief und blickte auf das Porträt ihrer Tochter. »Niemals kam mir der Gedanke, dass Gabrielle ihr Wort brechen und der Familie Schande bereiten würde. Sie war immer eine liebenswerte, gehorsame Tochter, aber ihr Vater setzte sich über ihre Pflichten hinweg.« Die blauen Augen wechselten vom Porträt zum lebenden Abbild über. »Ich wusste nicht, was sich zwischen den beiden abspielte. Im Gegensatz zu früher vertraute sie sich mir nicht mehr an, um meinen Rat einzuholen. An dem Tag, als das Porträt vollendet war, wurde Gabrielle im Garten ohnmächtig. Als ich darauf bestand, einen Arzt für sie zu holen, sagte sie, dass es nicht notwendig wäre. Sie war nicht krank, sondern erwartete ein Kind.«
    Die Gräfin sprach nicht mehr weiter. Schweigen lag wie ein schwerer Schatten über dem Raum.
    »Madame«, unterbrach Shirley die Stille, »wenn Sie glauben, meine Feinfühligkeit auf die Probe stellen zu können, weil ich vor der Heirat meiner Eltern ins Leben gerufen worden bin, muss ich Sie enttäuschen. Ich finde es belanglos. Die Zeit der Vorurteile ist vorüber, jedenfalls in meinem Land. Meine Eltern liebten sich. Ob sie diese Liebe nun vollendeten, bevor oder nachdem sie heilige Eide

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