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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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zum Schlafzimmer war. Das hatte dieselbe Form wie das Wohnzimmer, nur dass die Wände erbsengrün gestrichen waren. Es hatte ein Fenster und einen elektrischen Ventilator an der Decke. Aber keinen Teppich. Eine Tür neben dem Bett führte ins Badezimmer. Das Schlafzimmer selbst hatte keine Tür.
    Louise ließ sich aufs Bett fallen, erklärte, dass es sehr bequem sei, und fügte hinzu, dass New Yorker sich nicht viel aus ihren Wohnungen machten, weil sie nie zu Hause waren. »Für mich ist das okay«, sagte sie und erhob ihre Stimme, um das Rauschen des Wasserhahnes im Bad zu übertönen, den Cora aufgedreht hatte. »Ich könnte in einem Wandschrank leben und wäre glücklich, solange alles, worauf es ankommt, in der Nähe ist.«
    »Wir haben warmes Wasser«, sagte Cora. Das Badezimmer hatte ein kleines Fenster, das zu einem Luftschacht hinausging, und die Wände waren aus einem unerfindlichen Grund blutrot. Aber ihretwegen hätten die Wände auch orange gestreift sein können. Ein Bad war alles, was sie brauchte. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und steckte den Kopf ins Schlafzimmer.
    »Ich nehme jetzt ein Bad, Liebes. Musst du vorher noch mal ins Badezimmer?«
    »Nein, danke. Nur zu.« Louise kauerte neben einer Steckdose und stöpselte den Ventilator ein. »Aber machen Sie nicht zu lange. Ich kann es kaum erwarten, rauszugehen.«
    Cora lehnte sich an den Türrahmen und fächelte sich mit einer Hand Luft zu. »Hast du Hunger?« Sie musste über das laufende Wasser hinwegsprechen. »Wir haben im Zug ziemlich üppig zu Abend gegessen.«
    »Nein, ich bin nicht hungrig. Wir sollten zum Times Square gehen. Wir könnten die U-Bahn nehmen.«
    »Oh, Louise.« Cora schüttelte den Kopf. Sie war schrecklich müde. Die Schlafkojen im Zug waren so gemütlich gewesen, wie sie es eben sein konnten, mit zugezogenen Vorhängen und aufgeschüttelten Kissen; trotzdem war ihr die Nähe von Fremden auf der anderen Seite des Gangs nur zu bewusst gewesen. Vom ständigen Schaukeln und Ruckeln ganz abgesehen. Sie hatte nicht besonders gut geschlafen.
    »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie vielleicht müde sind.« Louise zupfte am Ausschnitt ihrer Bluse. »Schon gut. Soll ich irgendwas mitbringen?«
    Cora starrte sie an. Unten auf der Straße hatte ein Auto eine Fehlzündung. Louise blinzelte sie vergnügt an, als wäre das, was sie gerade gesagt hatte, völlig vernünftig.
    »Es ist fast dunkel.« Cora deutete mit dem Kopf auf das Fenster, das lediglich den Ausblick auf eine ungefähr zwei Meter entfernte Ziegelmauer bot. »Und du hast morgen früh deine erste Unterrichtsstunde.«
    »Erst um zehn. Das geht schon in Ordnung.« Sie schob sich an Cora vorbei ins Badezimmer, betrachtete sich im Spiegel und musterte sich mit einem kurzen, aber beifälligen Blick. Sie sah wunderschön aus. Sie roch kein bisschen. Es war, als würde für sie selbst in diesen stickigen Räumen und nach der langen Zugfahrt so etwas wie Schweiß und Staub und Müdigkeit nicht existieren. Sie trug immer noch ihre hochhackigen Schuhe. Cora hatte ihre schon ausgezogen, deshalb sahen sie im Spiegel gleich groß aus.
    »Louise.« Sie seufzte und wappnete sich innerlich. Eine Auseinandersetzung ließ sich wohl nicht vermeiden. Sie warf einen Blick in die Wanne, um die Höhe des Wassers zu überprüfen. »Tut mir leid, aber ich kann dich nicht allein gehen lassen.«
    Louise, deren Lächeln verschwunden war, sah sie an. Sie holte tief Luft, senkte den Kopf und ging an Cora vorbei ins Schlafzimmer. »Ich gehe nicht weit weg. Ich will nur ein bisschen herumschlendern. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich bleibe in der Nähe.«
    »Ich kann dich wirklich nicht allein ausgehen lassen.« Cora lehnte sich an die Tür. »Und ehrlich gesagt, ich glaube, das weißt du auch.«
    Louise drehte sich um, den dunklen Kopf leicht gesenkt. Wie ein Stier, dachte Cora.
    »Ich weiß gar nichts.« Sie verschränkte die Arme. Wegen der tief ausgeschnittenen Bluse konnte Cora sehen, dass die Haut auf ihrer blassen Brust leicht gerötet war. »Ich wusste nicht, dass ich eine Gefangene bin. Welches Verbrechen habe ich eigentlich begangen? Was wird mir vorgeworfen?«
    Cora rieb sich die Augen. Sie war nicht in der Stimmung für diesen Unsinn. Und wenn sie nicht bald ihr Korsett ablegte, würde sie wie eine zu fest gestopfte Wurst aus dem Ding herausplatzen.
    »Ich habe Hunger.« Louise hob ihr Kinn. »Das habe ich gerade gemerkt. Ich besorge mir etwas zu essen, während Sie Ihr Bad nehmen. Ich

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