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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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treffen können.«
    Schwester Delores schloss die Augen und lächelte. »Dem Herrn sei Dank. Es ist schön, das zu hören.« Sie machte die Augen wieder auf. »Das ist bei vielen Mädchen, die wir auf die Reise geschickt haben, der Fall, jedenfalls bei denen, von denen wir etwas gehört haben. Nicht bei allen. Aber bei den meisten.«
    »Sie haben von anderen Mädchen gehört, die in dem Zug waren?«
    »Von einigen.«
    »Mary Jane? Ich erinnere mich nicht an ihren Nachnamen. Aber sie war zur selben Zeit hier wie ich, und sie war mit mir im Zug. Oder Little Rose?«
    »Nein. Nur einige wenige Mädchen, wie ich bereits sagte. Sind Sie noch in der Kirche?«
    Cora überlegte, ob sie lügen sollte. Aber noch immer machten ihr die blauen Augen Angst. Durch die Spitzengardine sah sie die Silhouette einer Möwe, die draußen auf dem Sims saß.
    »Nein, Schwester. Die Leute, die mich aufnahmen, waren keine Katholiken.«
    Schwester Delores runzelte die Stirn. Ihre linke Hand zuckte. Sie legte ihre rechte Hand darauf, um das Zittern zu unterdrücken. »Sie sollten alle in katholische Familien kommen.« Sie verschränkte ihre Hände unter dem Kinn und sah Cora vorwurfsvoll an. »Aber das ist praktisch nie geschehen. Ist das nicht wunderbar? Unsere eigenen Kinder, die wir gekleidet und ernährt haben, könnten jetzt mit weißen Kapuzen gegen uns antreten.«
    Cora schüttelte den Kopf. »Mit weißen Kapuzen habe ich nichts zu tun.«
    »Welcher Kirche gehören Sie an?«
    »Der presbyterianischen. Meine Pflegeeltern waren Methodisten, aber ich bin jetzt Presbyterianerin.«
    Es war, als hätte sie gestanden, der Kirche Satans anzugehören. Schwester Delores starrte sie an.
    »Nun.« Die Nonne legte ihre Hände wieder auf den Tisch. »Mittlerweile wissen wir Bescheid. Jetzt schicken wir unsere eigenen Züge. Die Kirche, meine ich.«
    »Immer noch? Es gibt immer noch diese Kinderzüge?«
    »Gewiss. Wenn wir finanzielle Unterstützung bekommen. Es war für die meisten ein sehr erfolgreiches Programm.« Sie drehte ihre Hände um und zeigte ihre Handflächen. »Sie tragen sehr gute Sachen. Sie haben gerade gesagt, dass Sie eine positive Erfahrung gemacht haben.«
    »Ja«, sagte Cora. »Und dafür bin ich dankbar.«
    Das stimmte. Sie würde als Erste zugeben, wie viel Glück sie gehabt hatte. Ohne den Zug wäre sie vielleicht hier aufgewachsen, die Hände zerstört vom Wäschewaschen, der Verstand abgestumpft mangels Schulbildung. Sie wusste, dass sie dem Zug ein leichteres Leben und vor allem die Kaufmanns zu verdanken hatte. Aber das war reines Glück gewesen.
    »Ich möchte etwas über meine leiblichen Eltern erfahren, Schwester, von wem ich abstamme und woher ich komme.«
    »Dabei kann ich Ihnen nicht helfen.«
    »Warum nicht?«
    »Die Unterlagen sind vertraulich.«
    »Sie haben Unterlagen?«
    »Das ist egal. Ich kann Sie Ihnen nicht aushändigen.«
    »Warum nicht?«
    »So sind die Regeln.«
    »Warum?«
    »Weil aus diesem Wissen nichts Gutes erwachsen kann.« Da war der harte Blick, an den Cora sich erinnerte, die blauen Augen starr und unbewegt. »Miss Kaufmann, man kann davon ausgehen, dass Ihre Eltern tot sind und vermutlich schon tot waren, noch bevor Sie hierherkamen. Was würde es Ihnen bringen, mehr zu wissen?«
    »Ich will es wissen«, sagte Cora. »Auch, ob sie tot sind.« Sie lächelte. »Im Grunde würde ich gern mehr über meine katholischen Wurzeln lernen.«
    Die Augen der Nonne wurden schmal. »Das können Sie auch ohne unsere Hilfe.«
    »Ich möchte wissen, wer ich bin.« Cora starrte in ihren Schoß. Sie wollte nicht betteln, aber notfalls würde sie es tun. »Wer ich ohne Wohltätigkeit gewesen wäre.«
    »Darauf kommt es nicht an. Sie sind ein Kind Gottes. Sie sind, wer Sie sind. Müssen Sie unbedingt die traurige Wahrheit erfahren? Würde Ihnen das inneren Frieden schenken? Nein.« Sie zerschnitt mit der flachen Hand die Luft. »Es wäre von keinerlei praktischem Nutzen für Sie. Und wenn sie nicht tot sind, gibt es noch größere Probleme. Wir schützen die Privatsphäre der leiblichen Mütter. Wenn sie am Leben sind, wollen sie nicht gefunden werden.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und seufzte. »Soll ich ganz offen sein, Miss Kaufmann? Falls Ihre Mutter noch am Leben war, als sie Sie weggab, sind Sie höchtswahrscheinlich unter fragwürdigen Umständen zur Welt gekommen. Alkohol. Drogen. Ehebruch. Prostitution. Vergewaltigung. Soll ich fortfahren?« Sie setzte sich auf,

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