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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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putzte, kochte und putzte und sah sich zunehmend aufgezehrt von dem Grau, bis selbst ihre Augen trüber wurden und die Welt ringsum der Farben beraubt war.

    Mabel strich sich mit den Händen über den Schoß, fuhr wieder und wieder die Knitterfalten im Stoff nach, bis ihre Ohren ein paar von den Worten um sie herum aufschnappten. Es ging um das Bergwerk nördlich der Stadt.
    «Ich sag’s noch mal, Jack, verschwende keinen weiteren Gedanken daran. Das ist nur eine schnelle Methode, aus dieser Welt zu scheiden.»
    Mabel saß ganz ruhig.
    «Habe ich das Wort Kohlenbergwerk gehört?», fragte sie.
    «Ich weiß, die Zeiten sind schwierig, Mabel, aber dafür muss man sich nicht schämen», sagte George und zwinkerte ihr zu. «Behalte deinen Mann einfach zu Hause und verliert nicht den Mut. Das wird schon wieder.»
    Als George und seine Söhne sich darüber unterhielten, auf wie viele grauenhafte Arten jemand unter Tage zum Krüppel werden oder zu Tode kommen konnte, wandte Mabel sich Jack zu und flüsterte eindringlich: «Du hast daran gedacht, mich allein zu lassen, um im Bergwerk zu arbeiten?»
    «Darüber sprechen wir später», sagte er.
    «Ihr braucht nichts weiter als einen Elch im Stall. Und dann spart ihr euer Geld fürs Frühjahr», sagte George. Mabel runzelte verständnislos die Stirn.
    «Einen Elch», fragte sie, «in unserem Stall?»
    Esther lachte.
    «Keinen lebendigen, meine Liebe», sagte sie. «Fleisch. Damit ihr was zu essen habt. Wir haben es in den Anfangsjahren auch so gemacht. Am Ende kriegt ihr Stampfkartoffeln, Bratkartoffeln, gekochtes Fleisch, gebratenes Fleisch mächtig über, aber sie bringen euch durch.»
    «Ziemlich spät im Jahr für Elche», murmelte der jüngste Sohn, der mit den Händen in den Taschen in der Küche stand. «Er hätte sich besser kurz vor der Brunftzeit einen besorgt.»
    «Sind aber noch welche draußen, Garrett», sagte George. «Er muss sich bloß ein bisschen mehr anstrengen, um einen aufzuspüren.»
    Der Junge hob zweifelnd die Schultern.
    «Hört nicht auf ihn.» Esther deutete mit dem Daumen auf den Jungen. «Er hält sich für den nächsten Daniel Boone, ihr wisst schon, den berühmten Pelztierjäger.»
    Einer der älteren Söhne knuffte Garrett lachend in den Arm. Der jüngere ballte die Fäuste und schubste seinen älteren Bruder dermaßen von sich, dass der gegen den Küchentisch stieß. Es kam zu einer lautstarken Rangelei, und Mabel erschrak, bis sie sah, dass die Sache George und Esther kaltließ. Als das Getümmel schließlich sogar den Bensons zu viel wurde, brüllte Esther: «Jetzt reicht’s, Jungs», und da beruhigten sie sich.
    «Garrett nimmt vielleicht den Mund zu voll, aber ich sag dir, Jack, er kann mit einem Gewehr umgehen.» George wies mit vorgeschobenem Kinn stolz auf seinen Jüngsten. «Seinen ersten Elch hat er geschossen, da war er zehn. Er bringt mehr Wild nach Hause als wir Übrigen zusammen.»
    Esther beugte sich zu Mabel hinüber und sagte: «Einschließlich der verflixten Schneehühner.»
    Mabel versuchte zu lächeln, doch ihre Gedanken schlugen Purzelbäume. Er würde sie im Stich lassen, würde sie in dem kleinen, dunklen Haus allein lassen.
    Jetzt sprachen die Männer über die Elchjagd, und sie hatte wieder einmal das eigentümliche Gefühl, dass sie sich schon zuvor über dieses Thema unterhalten hatten und sie die unwissende Außenstehende war.
    «Sie sollten Ihre Flinte auch dann bei sich tragen, wenn Sie bloß auf dem Feld arbeiten», hörte sie den jüngsten Sohn zu Jack sagen. «Steigen Sie rauf in die Gebirgsausläufer. Um diese Zeit hat der Schnee die Elche meistens schon runter an den Fluss getrieben. Aber dieses Jahr kommt der Schnee spät, drum sind sie noch oben, fressen Birken und Espen.» Der Junge konnte seine Missbilligung kaum verbergen. «Schade, dass Sie im Herbst keinen geschossen haben», sagte er. «Jetzt werden Sie sich schwertun. Elche schließen sich nur in der Brunftzeit zu Rudeln zusammen. Sie verhalten sich dann anders. Die Bullen ziehen wie verrückt durch die Wälder. Rammen ihr verdammtes Geweih gegen die Bäume. Wälzen sich in der eigenen Pisse. Brüllen nach Kühen.»
    «Ich habe vor Monaten so etwas gehört», sagte Jack. «Ich war draußen Holz hacken, und da hat mich aus dem Wald was angegrunzt. Dann kamen Schläge. Als würde noch jemand Holz hacken.»
    «Ein Elchbulle. Hat nach Ihnen gerufen, sein Geweih gegen einen Baum gerammt. Der wollte mit Ihnen kämpfen. Er hat Sie für ’nen anderen

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