Das schoenste Geschenk
Sharon ihr aufgetragen hatte.
»In der Klemme!«, murmelte Sharon. »So ein glücklicher Zufall, dass er gerade herunterkam!« Wild entschlossen eilte sie auf Victors Haus zu. »Schon verkauft! So eine Frechheit!«
Durch die kahlen Bäume konnte Sharon das Haus sehen. Eine dünne Rauchsäule stieg aus dem Schornstein in den kalten blauen Himmel auf. Sharon reckte angriffslustig das Kinn vor und beschleunigte ihre Schritte. Die winterliche Stille wurde von dumpfen rhythmischen Schlägen unterbrochen. Sharon folgte dem Geräusch, das von der Rückseite des Hauses zu kommen schien. Als sie um das Haus herumging, sah sie Victor, der gerade einen Holzklotz auf einen dicken Baumstumpf legte, der ihm als Hackklotz diente. Er schwang die Axt über den Kopf und spaltete mit einem sauberen Schlag den Klotz in zwei Teile. Dann legte er einen neuen Klotz auf den Baumstumpf. Sharon nahm sich nicht die Zeit, die kraftvolle Anmut seiner Bewegungen zu bewundern.
»Du!«, rief sie wütend und stemmte beide Fäuste in die Hüften.
Victor hob die Axt. Er blickte kurz zur Seite, wo Sharon mit blitzenden Augen und geröteten Wangen stand und ihn böse anschaute. Wenn sie wütend ist, sieht sie bezaubernd aus, dachte er, bevor er die Axt auf den Klotz niedersausen ließ.
»Hallo, Sharon«, begrüßte er sie lässig.
»Tu nur nicht so scheinheilig!«, fuhr sie ihn an, während sie mit drei schnellen Schritten vor ihn hintrat. »Wie kannst du es wagen!«
Unbeeindruckt legte Victor einen neuen Klotz auf den Baumstumpf. Wütend schlug Sharon dagegen, sodass der Klotz auf den Boden rollte.
»Du hattest kein Recht, dich in meine Angelegenheiten zu mischen und mir ein wichtiges Geschäft zu verderben. Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Wie konntest du meinen Kunden erzählen, die Garnitur sei verkauft, wenn sie noch zu haben ist?«, sprudelte sie in einem Atemzug hervor.
Ruhig hob Victor den Klotz auf. Er hatte gewusst, dass sie kommen würde. Und er hatte auch mit ihrem Wutanfall gerechnet. Es war eine impulsive, spontane Reaktion von ihm gewesen, den Verkauf in letzter Minute zu vereiteln. Aber er bereute sie nicht. Er konnte sich noch zu gut an Sharons Gesichtsausdruck erinnern, als sie ihm zum ersten Mal von der Esszimmergarnitur ihrer Großmutter erzählte, der ganze Stolz der alten Dame. Nein, er duldete nicht, dass irgendwelche Leute sie aus dem Laden schleppten.
»Du willst sie doch gar nicht verkaufen, Sharon«, sagte er.
Ihre Augen schienen Funken zu sprühen. »Das geht dich überhaupt nichts an. Ich muss sie verkaufen, und ich werde sie verkaufen. Und wenn du dich nicht eingemischt hättest, wäre sie bereits verkauft.«
»Und du würdest dich verfluchen und Tränen vergießen«, gab er heftig zurück, während er die Klinge der Axt in den Baumstumpf hieb. »Das ist das Geld nicht wert.«
»Sprich mir nicht von Geld«, entgegnete sie. Zornig fuchtelte sie ihm mit dem Zeigefinger unter der Nase herum. »Du weißt nichts von meinen Gefühlen. Genauso wenig weißt du, was ich zu tun habe. Ich brauche das Geld nun einmal!«
Nur mit Mühe bewahrte Victor die Ruhe. Einen Moment hielt er ihre Hand fest, dann ließ er sie resigniert fallen. »Du brauchst das Geld nicht so dringend, dass du dafür etwas weggeben musst, woran dein Herz hängt.«
»Mit Gefühlen kann ich nicht die Rechnungen bezahlen, die sich auf meinem Schreibtisch stapeln.«
»Dann verkauf etwas anderes!«, sagte er mit erhobener Stimme. Während er auf ihr erhitztes Gesicht herabsah, bewegten ihn die gegensätzlichsten Gefühle. Im Moment hätte er sie am liebsten übers Knie gelegt, im nächsten konnte er kaum dem Bedürfnis widerstehen, sie vor der rauen Wirklichkeit des Lebens zu beschützen. »Du hast doch genug Ramsch in deinem verfluchten Laden!«, fügte er gereizt hinzu.
»Ramsch?« Damit hatte er ihr den Krieg erklärt. »Ramsch!«, wiederholte sie mit schriller Stimme.
»Sieh zu, dass du erst einmal den Kram loswirst, den du angehäuft hast«, riet er ihr in einem Ton, der seine Direktoren das Fürchten gelehrt hätte.
»Was verstehst du schon von Antiquitäten!«, rief sie wutentbrannt und stieß ihm mit dem Zeigefinger vor die Brust, sodass er einen Schritt zurücktrat. »Da versuche ich die besten Stücke, die ich finden kann, zusammenzutragen, und du …«, hier stieß sie ihn wieder mit ihrem Zeigefinger, »… du kannst doch nicht einmal einen Hepplewhite von einer Pressplatte unterscheiden. Halte dich gefälligst aus meinen
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