Das schönste Wort der Welt
Nerven, den mikroskopischen Vertiefungen und der ganzen
Spannung, die in dieser Umklammerung zusammenfloss. Ich stellte mir die Linien
dort unten im Dunkel der aufeinanderliegenden Handflächen vor. Und wieder
einmal fragte ich mich, ob uns das Schicksal gnädig sein würde.
Aska versuchte, ihre
Hand wegzuziehen, doch ich hielt sie fest, dann wollte Diego seine lösen, und
Aska und ich stemmten uns mit unserem ganzen Körpergewicht dagegen.
»Wo willst du denn
hin?«
Diego war verwirrt.
Sie hatten diese körperliche Verabredung und schafften es nicht mehr, sich in
die Augen zu sehen. Sie würden sich später ansehen.
Wir gingen in den Zoo
und schlenderten an den Käfigen und Gehegen entlang. Es war windig, ein heller
Sand wirbelte auf und trübte die Luft. Die Bären waren unruhig, sie hatten sich
in einer Art leerem Becken verkrochen, das hier und da mit Moos bedeckt war.
Aska war seit Jahren nicht mehr in diesem Zoo gewesen, sie war es, die
unbedingt hierher wollte. Dieser Ort erinnerte sie an ihre Kindheit, sie kaufte
eine Tüte Erdnüsse und fütterte die Schimpansen damit. Sie strich um die Käfige
herum und stieß merkwürdige Laute aus, ein Pfau antwortete ihr. Ich ging eine
Flasche Wasser kaufen.
Als ich zurückkam,
machte Diego gerade Fotos von ihr. Sonst geschah nichts, sie war in einen
leeren Käfig gegangen und klammerte sich an die Gitterstäbe wie ein
deprimierter Affe, den rothaarigen Kopf auf eine Schulter geneigt. Trotzdem
spürte ich etwas, das Gewicht einer Vertrautheit.
Diego fotografierte
sie nicht mehr, er hatte die Leica sinken lassen und betrachtete Aska nun mit
bloßen Augen. Sie hatte sich abgesondert und ging etwas abseits, wobei sie mit
ihren Fingern an den Gittern entlangstreifte.
Mitten in der Nacht
rufe ich meinen Vater an, seine Stimme ist so wach, als hätte er auf mich
gewartet.
»Papa …«
»Mein Liebes.«
Er sagt nichts, atmet
tief, ich höre in dem grauen Beamtentelefon das Geräusch seiner Lungen, seines
Lebens.
Ich habe ihn lange
nicht angerufen.
»Brauchst du was?«
»Nein.«
»Was ist das für ein
Lärm?«
»Es regnet.«
»Wann kommt ihr
zurück?«
Wir plaudern noch ein
wenig, er erzählt von seinem Hund.
»Ich koche nicht
mehr, wir gehen jeden Abend zum Mexikaner.«
Dem Hund schmeckt das
Fleisch und Papa der Tequila, er sagt, sie seien sich einig. Er bringt mich zum
Lachen. Ich flachse noch ein bisschen mit ihm herum, um den Regen zu besiegen,
der mich die ganze Zeit deprimiert.
»Was ist das für ein
Lärm?«, fragt er noch einmal.
Jetzt bin ich es, die
in den Hörer atmet.
Es donnert, sage ich.
Doch es ist eine Schussgarbe. Dumpf, unverschämt.
»Passt auf euch auf.«
Ich sage, er sei weit
weg und könne sich kein richtiges Bild machen.
»Die Leute hier sind
vermischt wie Wasser, ein Tropfen im anderen.«
Er sagt, die
Nachrichten in Italien seien beunruhigend.
»Alles nur
Panikmache«, brumme ich und muss lächeln, weil ich schon wie Gojko rede.
Ich lege auf, Diego
schläft, mit einem seiner langen Füße außerhalb des Bettes, einer weißen Pfote.
Den Termin im
Kalender hatte Aska markiert, drei Tage, die besten, die fruchtbarsten, die
Tage, die mitten in ihren Zyklus fielen. Doch statt eines Kringels hatte sie
ein Herz gemalt. Wir hatten uns für den zweiten Tag entschieden, den in der
Mitte des Herzens. Wir hatten unsere sechs Hände noch einmal zu dem kleinen
Friedensritual aufeinandergelegt.
Jetzt fiel mir dieses
Herz wieder ein. Der Kalender hing da, in unserem Schlafzimmer, ich sah ihn
jede Nacht an und zählte die Stunden.
Ein paar Tage vor dem
Termin suchten wir den Ort für das Rendezvous aus, eine Pension, die wie eine
Berghütte aussah, wie ein abgelegenes Haus, dabei grenzte sie an die Stadt und
war eines der letzten Gebäude unmittelbar am Trebević. Im oberen Stockwerk gab es nur wenige Zimmer, nur einen Flur und am
Ende zwei Badezimmer. Wir hatten ein blitzsauberes, duftendes Zimmer betreten,
wie das einer Klinik. Ein kleines Fenster ging auf den Wald hinaus, es war
vergittert. Gegen
Einbrecher? Anela, die Besitzerin, hatte aufgelacht. Nein, gegen die Eichhörnchen . Sie schlüpfen in die Zimmer, um Abfälle
zu stibitzen. Ich hatte mich aufs Bett gelegt, auf dem eine weiße,
handgestickte Decke lag. Ich hatte mich kühn und burschikos gefühlt, wie Gojko,
wie der dritte Bewohner eines einzigen Herzens. Aska und Diego hatten an der
Wand gestanden, wie zwei kleine, schüchterne Eichhörnchen.
Die Frau in der Pension
Die Frau
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