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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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in der
Pension am Fuß des Trebević deckte
weiter jeden Morgen die Tische fürs Frühstück ein. Es gab nichts, womit man die
Hühner füttern konnte, nicht einmal trockenes Brot, es gab nur angeschlagene
Tassen und aus den Rahmen gefallene Fensterscheiben. Doch sie machte weiter mit
ihrer Alltagsnormalität, um sich von denen da in den Bergen nicht unterkriegen
zu lassen. Sie machte weiter wie die Tiere, die nicht sterben, solange sie sich
auf den Beinen halten. Jeden Morgen stand sie früh auf, holte Wasser aus dem
Brunnen und kochte Kaffee. Jeden Morgen deckte Anela in Erwartung des Friedens
die Tische für ihre Gäste ein. Sie schaute forschend in die Dämmerung und zu dem
alten, eisernen Hahn über dem Eingang, der vom ausgelassenen Zielschießen
besoffener Soldaten in Mitleidenschaft gezogen war. Doch welche Gäste hätten
damals kommen können? Kein Tourist, kein Liebespärchen auf der Flucht, kein
Handelsreisender aus Dubrovnik oder Mostar. Trotzdem deckte Anela an jedem der
endlosen Tage der Belagerung die Holztische ein. Die Teufel waren dagewesen und
hatten schon alles mitgenommen, was es zu holen gab, nicht eine Kirsche war ihr
geblieben. Sie hatte die Tassen aufgehoben, sie geklebt und stellte sie Tag für
Tag auf die kahlen Tische. Müde, reglose Tauben, die auf den Frieden warteten.
Das war ihr Stolz, und in diesem Stolz lag ihre Widerstandskraft.
    Ich habe meinen
Rucksack auf dem Rücken und trage meine Sonnenbrille mit den gewölbten Gläsern,
die aussehen wie zwei schwarze, in meine Augenhöhlen gerammte Eier. Die Hitze
ist größer geworden, ich schwitze in meiner Bluse, der Stoff klebt an meinem
Rücken. Ich kraxele hoch nach Bistrik. Granateinschläge unten an den
Hauswänden, an den smoggeschwärzten Mauersockeln. Osmanische Häuschen mit
Erkern aus dunklem Holz. Ich bleibe stehen, die alte Pension springt mich
förmlich an. Ich erkenne sie wieder, so etwas wie der Irrtum eines zerstreuten
Architekten, das Fundament schmal und dazu Wände, die sich nach oben
verbreitern und sich schräg nach vorn neigen. Sie erinnert an eins der alten
Gräber auf dem muslimischen Friedhof.
    Die Frau ist hinter
dem Haus, auf dem Betonhof, wo Gasflaschen und Bierkästen aus gelbem Plastik
für das Leergut stehen. Sie füttert ein paar Zwerghühner, die ihr nicht von der
Seite weichen, mit etwas Mais. Ich grüße sie, doch sie erkennt mich nicht, auch
ich hätte sie anderswo nicht wiedererkannt. Ich weiß, dass sie es ist, weil sie
hier ist, weil ich sie suche. Das Erste, was ich denke, ist, dass sie am Leben
ist. Sie ist eine alte Frau in Schwarz, mit roten Wangen und einem zahnlosen
Lächeln. Anela ist hier nie weggegangen.
    Wir unterhalten uns
mit dem bisschen Bosnisch, das ich spreche, ich erzähle ihr, dass ich vor der
Belagerung schon einmal in dieser Pension war. Sie dreht sich um und zeigt auf
die Wälder, dort war die Feuerlinie, etwa einhundert Meter entfernt. Bei
Tagesanbruch ging sie hinaus, um Eier zu holen, bückte sich in die Holzverschläge
hinunter, kam voller Federn ins Haus zurück und begann für ihre Gäste zu
brutzeln. Ich betrachte ihre roten Hände und ihr rissiges Bauerngesicht. Sie
hat noch dieselbe Miene, wenn man mit ihr spricht, sie tut, als verstünde sie
nicht, denkt aber währenddessen nach. Sie ist also am Leben. Auch sie ist ins Leben
zurückgekehrt. Ich hatte sie aus meinem Kopf gejagt, wie alles, was
verlorengegangen ist, eine Randfigur, eine zerbrochene Schale. Doch jetzt
möchte ich sie umarmen, ich ziehe sie am Arm in die Welt und stelle sie an
ihren Platz zurück.
    Anela erinnert sich
nicht an mich, sieht mich aber aufmerksam an. Ihre Augen sind zwei Sümpfe, die
mit Mühe die Tränen zurückhalten.
    Nach dem Krieg hat
sie verkauft, sie hatte kein Geld, um die von Granaten erschütterten Zimmer zu
renovieren. Sie macht sich gestikulierend und mit einigen deutschen und
italienischen Brocken verständlich. Ein Zimmer im Erdgeschoss hat sie behalten,
alles Übrige gehört jetzt zu einer Druckerei. Im Frühstücksraum stehen
Druckmaschinen. Sie hält sich die Ohren zu, um mir zu bedeuten, dass der Lärm
sie nicht schlafen lässt. An die Granaten hatte sie sich gewöhnt, sagt sie,
doch jetzt sei sie alt, und den ganzen Tag zusammen mit den Wänden ihres
Zimmers durchgeschüttelt zu werden sei ihr zu viel.
    » Strpljenje «, doch was soll’s, sagt sie.
    Man habe sie nicht
vertrieben, der Besitzer sei ein reicher Mann, einer, der sein Geld mit dem
Tunnel gemacht habe, den man

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