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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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haben angefangen,
die Möbel zu verbrennen, Jovan zerkleinert sie mit den Händen, löst die Beine vom
kleinen Wohnzimmertisch und zertrümmert die Schubkästen der Nachttische und der
Anrichte. Velida hat die Teppiche in Streifen geschnitten und kleine
Stoffblöcke daraus gemacht, die langsam wie Kohlen brennen.
    In den Parks stehen
keine Bäume mehr. In kürzester Zeit wurde die Stadt ihres Grüns beraubt.
Überall ist das Geräusch von Sägen zu hören und von Ästen, die wie große
Bürsten durch die Trümmer geschleift werden.
    Jovan klagt, dass man
auch die Linde vor dem Haus gefällt habe, sie hatte Schutz vor den
Heckenschützen gewährt. Ihm bleibt nur noch ein Bild von ihr, der Stamm und die
Krone in Aquarell getüpfelt.
    »Bäume sind Leben.«
    Er ist wütend auf die
Schieber, die sie nur fällen, um sich auf dem Schwarzmarkt zu bereichern.
    Es ist Oktober und
noch nicht sehr kalt. Früher gab es manchmal sogar schon im August Schnee, doch
so Gott will, verspätet er sich dieses Jahr.
    So stirbt das Leben,
die Bäume fallen einer nach dem anderen. Man macht Brennholz für den kommenden
Winter und schafft gleichzeitig Platz für die Toten, die inzwischen überall
begraben werden, in den Parks und auf dem Fußballplatz von Koševo, weil die Friedhöfe nicht mehr
ausreichen. Überall sieht man Grabhügel, die dunklen Flecken aufgelockerter
Erde.
    Die Bestien aus den
Bergen wüten auf den Trümmern weiter. Eine Granate hat eine Gruppe von Kindern
getroffen, die in dem ruhigen, bereits verwüsteten Areal hinter unserem Haus
Ball spielten. Die serbischen Freischärler haben erklärt, die Granate habe sich
versehentlich dorthin verirrt, und abgefeuert worden sei sie von den Grünen
Baretten und nicht von ihnen. Die toten Kinder haben nichts erklärt. Der Ball
flog Velida direkt in die Wohnung, er durchschlug die Plane und fiel herein.
Erst am Abend hörte sie von den Kindern. Jetzt sieht sie den Ball an, den sie
in das leere Katzenkörbchen gelegt hat, und fragt mich: »Wem soll ich ihn denn
nun zurückgeben?«
    Die Nacht nimmt kein
Ende mehr. Diego kommt mit seinen Filmen zurück, nimmt sie aus der Kamera und
wirft sie in eine Ecke. Er erzählt mir nicht mehr, was er fotografiert.
    Nachts gleicht die
Stadt einem verfaulten Mund, mit rosafarbenen Kratern, wie von Karies zerstörte
Zähne. Die Dunkelheit verschlingt die Apokalypse. Es gibt keine Spur von Leben
mehr. Die Alarmsirenen sind die vergessenen Stimmen eines Warnrufs, der
niemandem mehr zu nützen scheint. Nacht für Nacht stirbt Sarajevo. Die Nacht
ist ein sich schließender Deckel. Die Überlebenden sind Ameisen, die der Stadt
aus beharrlicher Zuneigung in ihr Schicksal folgten und in diesem Grab
eingeschlossen sind.
    Nachts bleibt nur
noch der Wind, der aus den Bergen herunterkommt und in diesem zahnlosen Mund
umgeht wie ein unruhiger Geist.
    Diego sagt, Das ist erst der Anfang, und wir sehen ihm
zu. Irgendwann wird die ganze Welt so aussehen, innen verbrannt, tödlich
verwundet. Nichts wird bleiben außer eisenstarren Trümmern, ausströmendem Gas
und den schwarzen Zungen matter Brände. Wir sehen es hier vor uns, das Ende der
Welt, das Ende aus den Comics und aus den Filmen, die in einer apokalyptischen,
verseuchten Zukunft spielen . Er lacht auf. Nachts schwindet die Hoffnung. Diegos Miene verfinstert
sich. Ich betrachte sein Grinsen, seine im Dunkeln glänzenden Augen. Er trinkt
zu viel, literweise dieses schlechte Bier. Er steht auf, um pinkeln zu gehen,
und stößt irgendwo an. Als er schläft, tippe ich ihn an, um zu spüren, ob er
lebt, ob er sich bewegt. Ich fürchte mich vor dieser Düsternis, sie ist der
reinste Abgrund. Es ist, als läge er unter der Erdoberfläche, in der Tiefe
eines verschütteten Sees.
    Irgendwo gräbt ein
Spaten. Nachts werden in Sarajevo die Toten bestattet, geräuschlos gleiten sie
in die Erde. Menschenansammlungen auf freien Flächen sind ein gefundenes
Fressen für die Heckenschützen, daher wartet man, bis es dunkel ist. Nicht ein
Schrei erhebt sich unter den Lebenden, die Tränen werden in der Brust
festgenagelt wie die Bretter der Särge, die aus Gerümpel zusammengezimmert
sind, aus alten Tischplatten und Schranktüren.
    Man hört nichts als
die heiseren Stimmen der Hunde, die in Rudeln herumstreunen, klapperdürr, mit
Bäuchen, die nur noch aus Haut bestehen, und mit Wolfsaugen. Haushunde, durch den
Krieg herrenlos geworden, von ihren Besitzern verlassen, die geflüchtet oder
gestorben oder zu hungrig sind, um

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