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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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hellem Stein,
der die beiden Stadthälften verband, die christliche und die muslimische.
Dieser alte Freund lebte fast fünfhundert Jahre, dann wurde er in wenigen
Minuten niedergemacht.
    Pietro versteht
nicht, warum Christen und Muslime verfeindet waren.
    »Wo sie doch vorher
gemeinsam gegen die Serben gekämpft haben.«
    Gojko sagt, Hass
weite sich leicht aus, wie ein Loch in einer Jackentasche.
    »Zum Schluss kämpften
sogar Muslime gegen Muslime.«
    Wir sitzen in einem
kleinen Gasthaus an der Brücke und haben hartgekochte Eier und Salat aus
Tomaten und Gurken bestellt.
    Pietro erzählt von
dem Erlebnispark, in den er und seine Freunde manchmal gehen, um Krieg zu
spielen, mit Helmen und allem Drum und Dran, allerdings schießen sie mit
Farben.
    »Spielt ihr in
Mannschaften?«
    »Ja, oder auch jeder
gegen jeden.«
    »Wie wir, am Ende.«
    Pietro lacht.
    Die Brücke ist ein
Meisterwerk des Wiederaufbaus durch die UNESCO , in wieder nur einem Bogen
rekonstruiert und mit den Steinen der ursprünglichen Brücke. Doch nicht mit der
gleichen Absicht.
    Brücken verbinden die
Schritte der Menschen, verbinden ihre Gedanken und die Pärchen, die sich in der
Mitte treffen. Über die neue Brücke gehen jedoch ausschließlich Touristen. Die
Einwohner der geteilten Stadt bleiben jeweils auf ihrer Seite. Die Brücke ist
das weiße Skelett einer Friedensillusion.
    Ein Muezzin singt,
sein Ruf zieht durch den Himmel, an dem sich kleine, dunkle Vögel jagen. Gojko
legt einen Geldschein auf den Tisch und steht auf.
    »Jetzt fangen auf der
anderen Seite gleich die Glocken an, sie machen um die Wette Krach.«
    Pietro will den
Jungen sehen, der für die Touristen ins Wasser springt. Er ähnelt ihm ein
bisschen, ist dünn und hat dichtes Haar. Er klettert auf die Brüstung und
breitet die Arme aus wie ein Engel. Er konzentriert sich und zieht eine kleine
Show ab. Ihn gab es damals noch nicht, oder falls doch, war er noch sehr klein.
Für ihn ist die Brücke ein Segen. Er springt mit geschlossenen Beinen ab und
absolviert einen beeindruckenden Flug von fast dreißig Metern, bevor er ins
Wasser der Neretva taucht. Wir halten die Luft an, ein Augenblick der Leere,
denn der Fluss in der Tiefe ist still und dunkel. Dann taucht ein Kopf auf, der
Junge schaut nach oben, streckt einen Arm heraus und macht das Victoryzeichen.
Wir klatschen mit den anderen Touristen Beifall. Ein kleiner Kompagnon geht mit
einem Tellerchen herum.
    Pietro fragt mich, ob
er das auch versuchen dürfe, er behauptet, er habe das Prinzip verstanden, und
zieht sich schon die Schuhe aus. Ich sage Los, ab ins Auto mit dir, aber flott . Ein Sprung ins Wasser fehlte gerade
noch.
    Die Sonne senkt sich
allmählich herab, und die Umrisse der Bäume kommen mir noch trauriger vor.
    Vielleicht war es
schon Nacht, als der Junge aus Genua durch diese Gegend kam, er fuhr ohne Licht
auf dem Motorrad, das war nicht schwer, er war an die Dunkelheit Sarajevos
gewöhnt. Vielleicht nahm er eine Abkürzung über die Waldwege. Vielleicht war
Aska bei ihm, und sie war es, die ihm diese Abkürzungen zeigte. Für einen
Moment sehe ich die beiden vor mir, das Lamm eng an den Körper Diegos
geschmiegt, der sie vergebens zur Mutter gemacht hatte.
    Wohin fuhren sie?
Vielleicht machten sie sich einfach nur davon. Hatten keinerlei Pläne, außer in
ihren Träumen.
    Vielleicht hatten sie
vor, sich ein bisschen Geld mit Straßenmusik zu verdienen. Ja, so hätten sie
gelebt, wie Flüchtlinge, in den U-Bahnen, in den Tunneln der Welt. Aska hätte
eine von ihren vor Melancholie und Liebe triefenden Sevdalinkas gesungen und
ihren bosniakischen Schmerz vor den Passanten, die nach Fahrkarten anstanden,
in die Trompete geblasen. Und er hätte sie auf der Gitarre begleitet, hätte sie
von Zeit zu Zeit fotografiert, um ihr etwas über sie zu erzählen. Mit seinem
jungenhaften Atem hätte er sich immer ein wenig um sie gekümmert.
    Die Wohnung und das
Leben, in die ich ihn eingeschnürt hatte, waren nicht seine Wohnung und nicht
sein Leben gewesen. Er hatte es versucht, aber nicht geschafft. Einmal hatte er
zu mir gesagt: »Ich fühle mich wie ein Hund in einem Schaufenster, der darauf
wartet, dass man ihn kauft.«
    Aska hätte wieder ihr
T-Shirt mit Kurt Cobains ausgebleichtem Gesicht angezogen, sie wären mit dem
Motorrad gefahren und hätten zum Schlafen auf Zeltplätzen Rast gemacht oder
einfach auf einer Wiese oder in einer Passage vor einem geschlossenen Kino. Wie
diese umherziehenden Künstlerpaare, die das

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