Das schönste Wort der Welt
Ledersofa
auf mich gesetzt, zwischen Lichter, die bunt in dieser Höhle aus Rauch und
Stimmen umherflatterten wie auf einem Karussell.
»Bin ich dir zu
schwer?«
»Nein, bist du
nicht.«
Über mich gebeugt mit
seinem Geruch, mit seinem Atem, mit zuckersüßen Worten. Wie eine Schlange, die
ein kleines Tier verschlingt, es langsam hinunterschluckt, ich bin kurz vor dem
Ersticken dort unten.
Ich tanze, wie eine
Alge. Ich habe Lust, mich gehen zu lassen. Recke die Arme in die Luft, hebe die
Beine, reiße sie vom Boden und schwanke, wen juckt es, dass ich diesen strengen
Rock anhabe und dass ich nicht tanzen kann, ich tanze, wie ich auf den
Schulfesten getanzt habe, wenn das Licht gelöscht wurde und man sich beim
Besentanz vor Lachen nicht mehr halten konnte. Diego schaut mir zu, eine Hand
an der Wange, seine an mir knisternden Augen in der Dunkelheit halb
geschlossen. Ich habe schon die Hochzeitsliste fertig. Wir, ich und Fabio,
brachten einen ganzen Nachmittag damit zu, in diesem Geschäft im Zentrum, mit
der Verkäuferin daneben, die ein Blatt nach dem anderen ausfüllte. Ich muss an
den Kristallsalzstreuer mit der Silberkappe denken, der doch ein Set mit dem Pfefferstreuer
bilden könnte .
Was fange ich jetzt mit diesem Salzstreuer an? Wohin soll ich das Salz streuen?
Auf einen Salat oder unters Bett, um das kleine Gespenst dieses Spinners zu
verscheuchen, der mich anstarrt, als wäre ich Bo Derek?
Nichts fange ich
damit an, gar nichts. Ich sage ihm, dass es schon spät ist, dass wir gehen
müssen. Er sieht mich forschend an, als ich mir den Schal umbinde. Ich schaue
ihn nicht mehr an, schaue auf meine Schritte auf dem Weg, folge nur ihnen.
Das Hotel für die
Passagiere der gestrichenen Flüge liegt am Stadtrand, und die letzte
Straßenbahn ist schon lange weg. Also hat Gojko vorgeschlagen, dass wir bei ihm
schlafen, es ist genug Platz, seine Mutter liegt im Krankenhaus. Ein
anspruchsloser Wohnblock, der Hof sieht aus wie der eines Gefängnisses. Doch
drinnen fühlt man sich wohl. Das Licht scheint in einer behaglichen Wohnung
auf, in der es an nichts fehlt. Ein Pianino, ein türkischer Teppich, zwei
Bücherreihen an der Wand, dazu wie Weißwürstchen gebauschte Gardinen. Gojko
überlässt Diego sein Zimmer.
»Das Bettzeug ist
sauber, ich habe erst ein paar Mal drin geschlafen.«
Ich übernachte im
Zimmer der Mutter. Gojko erklärt mir, wie man das Licht auf dem Nachttisch
anknipst, und räumt einen Stuhl für meine Sachen frei. Neben dem Bett steht
schon die Wiege bereit, ein halbiertes Ei aus Korbgeflecht.
»Das war meine, jetzt
wird Sebina darin schlafen, meine Mutter hat die Matratze ausgetauscht und die
Bettwäsche bestickt.«
Ich bestaune die
Spitzen und einen herunterhängenden Satinfaden.
Wir plaudern noch ein
wenig im Wohnzimmer. Gojko teilt den Rest einer Flasche Kruškovača auf, ein Birnenschnaps, den seine
Mutter gemacht hat. Im Zimmer hängt ein Foto von Tito, eingerahmt neben den
anderen, als gehörte er zur Familie.
Gojko fängt an, von
seinem Vater zu erzählen, der sich über die Neretva in Sicherheit brachte, als
der Marschall die Brücke sprengen ließ, um die Deutschen zu täuschen.
Ich stehe auf, Gute Nacht . Diego steht auch auf, er kommt mir
ein paar Schritte nach.
»Darf ich dir einen
Besuch abstatten, wenn der Partisan eingeschlafen ist?«
Er hat das Gesicht
eines bettelnden Kindes. Ich schüttle den Kopf wie eine strafende Mutter.
Ich höre die beiden
noch eine Zeitlang reden, dann setzt das Gebrabbel des Fernsehers ein. Ich höre
Diego, der sagt, ich geh
ins Bett, ich kapier nicht die Spur , und Gojko, der sagt, stimmt, du kapierst nicht die Spur .
Ich bin ruhig und
lese schon ein Weilchen. Andrićs Fräulein bewegt sich heute Nacht nicht aus dem
Hotel Europa, die Worte dringen nicht durch, sie bleiben in der Luft hängen,
unnütz wie Klammern auf einer Leine ohne Wäsche. Das Bett ist sympathisch, auch
das Zimmer ist sympathisch mit seinen Gazegardinen und dem beigefarbenen
Baumwollteppich, es ist das Zimmer einer einfachen, reinlichen Frau.
Ich stehe auf und
werfe einen Blick in den Schrank: ein geblümtes Kleid, ein Kostüm, zwei
Männerjacketts und unten Stapel mit Haushaltswäsche, Laken, Handtücher. An der
Tür ein gespannter Draht: zwei Krawatten und ein dünner, roter Lackgürtel. Ich
gehe ins Bad. Wasche mir das Gesicht, die Achselhöhlen.
Mit der Zahncreme
verschwindet der Geschmack der Küsse. Gojko schläft, auf das Sofa geworfen, mit
herabhängenden Armen,
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