Das schönste Wort der Welt
die Hände dick wie die eines Kindes. Es stinkt nach
Schweißfüßen und nach gerauchten Zigaretten, die noch schwer in der Luft
nachklingen.
Diego ruft mich, psst, hallo . Lächelnd steht er an der Tür zu
seinem Zimmer. Er trägt so etwas wie einen einteiligen Schlafanzug aus
hellgelbem Frottee.
»Den habe ich unter
Gojkos Kopfkissen gefunden.«
Ich lächle und sage Gute Nacht .
»Bist du denn müde?«
»Allerdings.«
»Du lügst heute Nacht,
dass sich die Balken biegen.«
Wir fühlen uns etwas
unbehaglich in dieser Wohnung, in dieser fremden Behaglichkeit, zumal der
schlafende Gojko beeindruckender ist als der wache.
Diego in diesem
Entenpyjama, seine Haare lang und gewellt wie die eines Engels. Er formt den
Mund wie zu einem Rauchkringel.
»Ich mach die Tür zu
… Dann hörst du mich nicht weinen.«
Ich schicke ihn zum
Teufel, freudlos.
Plötzlich macht Gojko
ein Geräusch, er lässt einen langen, herzhaften Furz, ein kleines Konzert des
Afters. Diego setzt ein feierliches Gesicht auf und nickt.
»Tolles Gedicht,
Gojko, gratuliere.«
Ich halte mir den
Mund zu und pruste los.
Auch Diego platzt
fast vor Lachen. Ich drehe mich um und mache einen Schritt zurück in das
Zimmer, in dem ich schlafen oder nicht schlafen werde. Da hebt er mich mit
einem Ruck hoch, als hätte er nie etwas anderes getan, so wie ein Gepäckträger
einen zusammengerollten Teppich.
Wir fallen aufs Bett,
neben die leere Wiege. Im Nu zieht er sich Gojkos Schlafanzug aus und ist jetzt
in Unterhosen, in albernen roten Unterhosen, wie für eine Silvesternacht. Ich
lache, er lacht nicht. Er hat dünne Beine und den schmächtigen Brustkorb eines
Kindes.
»Bin ich hässlich?«
»Nein.«
Ich sehe Teile von
uns, meine weiche Hand außerhalb des Bettes, sein Ohr, schwarz wie ein Brunnen,
die Stelle, an der unsere Oberkörper zusammenkleben. Bevor er in mich gleitet,
hält er inne, bittet mich um Erlaubnis wie ein Kind.
»Darf ich?«
Eine Wurzel, die sich
in Erde bohrt. Er sieht mich an, sieht das Wunder unserer Gemeinsamkeit an. Er
legt mir seine Hände um den Kopf wie eine Krone und betrachtet mein Haar,
während er es streichelt.
»Jetzt bist du mein.«
Später waren da das
Bett und die leere Wiege, in der Gojko als Kind geschlafen hatte und in der nun
seine Schwester schlafen sollte.
Ich liege lang
ausgestreckt mit einem Arm unter Diegos Kopf. Ich bin ruhig, satt, und
betrachte diesen kleinen Wahnsinnskerl. Diesen Jungen, der es verstanden hat,
mich zu erkennen, sich selbstverständlich um mich zu kümmern, als hätte er sein
Leben lang nichts anderes getan.
Das Schneetreiben ist
vorbei. Von der Straße klingen Stimmen herauf, betrunkene junge Männer. Wir
stehen auf und beobachten sie durchs Fenster. Diego zieht mich an sich, ich
bedecke mich mit einem Stück Vorhang. Es sind hochgewachsene Jungen, die
Englisch sprechen, Athleten neben der Spur. Sie bewerfen sich noch ein bisschen
mit Schnee, dann ziehen sie weiter.
Wir gehen wieder ins
Bett. Diese Nacht wird tropfenweise vergehen.
Diego berührt meine
Brustwarze, klein und dunkel wie ein Nagel. Er berührt die Sehnsucht, die er
nach mir haben wird. Wir verderben nichts. Da ist keine Angst, kein Vorwurf,
keine Verlegenheit. Nicht ein bekanntes Gefühl taucht auf, um mir dazwischenzufunken.
Das Schuldgefühl ist ein alter, müder Herr, dem es nicht gelingt, über diesen
Zaun zu klettern.
Diego nimmt die
Gitarre und spielt. Mit angewinkeltem Bein und nacktem Oberkörper, die Augen
auf den Saiten.
»Was ist das für ein
Lied?«
»› I Wanna Marry You .‹ Unseres.«
Wir schlafen ein
bisschen. Es ist ein sehr tiefer Schlaf, eingegraben in vollkommene Blindheit.
Als ich die Augen öffne, finde ich den Duft dieses Körpers. Diegos Nase ist in
meinen Haaren versunken, als hätte er die ganze Zeit meinen Geruch gesucht. Langsam
zieht der Morgen herauf, klein und fahl. Es bleibt noch Zeit, um sich erneut zu
lieben, um zueinander zu fallen. Sein Ellbogen reißt ein wenig an meinen
Haaren, na und. Dann stehe ich auf, und das kostet wirklich Mühe. Die erste in
dieser Nacht. Er ist hinter mir, schaut mir zu, als ich mich bücke, meinen Slip
anziehe und die Sachen zusammensuche.
»Du wirst mir
zeitlebens fehlen.«
Wir treffen uns in
der Küche. Gojko hat Kaffee gekocht, er war draußen, um Milch und süßes
Pitabrot zu kaufen. Er ist in sein Zimmer gegangen und hat natürlich das
unberührte Bett gesehen. Er schaut uns an, als wir zusammen frühstücken in dieser
Küche mit den
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