Das schönste Wort der Welt
dieser Nacht nicht für ihn öffnet.
Vom Bett ziehen sie
sie auf den Boden. Diego sieht den wie einen Schubkarren geführten Körper und
sinkt hinter dem Spalt zusammen, der bereits der des sich schließenden Lebens
ist. Anfangs erschien ihm der Vorhang wie eine Zuflucht, inzwischen weiß er,
dass es besser gewesen wäre, auf der Treppe zu krepieren. Er hat die Augen
geschlossen, hört die Stöße, wieder und wieder, hört den Schubkarren, der gegen
die Wand prallt.
Aska denkt an ihre
Mutter, das letzte Mal, als sie sie vor ihrem Tod sah, kochte sie ihr
Wirsingkohlröllchen. Aska denkt an den Duft, der die Küche erfüllte. Ihr Bruder
schaute MTV , und sie war geblieben, um mit ihnen
an dem kleinen Tisch vor dem Fernseher zu essen, sie hatten zusammen gelacht.
Seit Aska von zu Hause fort war, war ihre Mutter nervöser, lästiger. Doch an
jenem Tag wirkte sie heiter. Aska hatte ihr etwas Geld dagelassen, hatte sie
von hinten umarmt und das Fleisch in ihrer Taille gespürt.
Aska schmeckt jene
Zärtlichkeit nach. Um sich zu schützen, ist sie aus sich herausgetreten. Sie
hört ein fernes Dröhnen, dort wo die Kindheitserinnerungen klopfen. Die Brücke,
über die sie zur Musikschule ging. Sie sieht einen Pflug, der ein Feld durchfurcht,
die Klingen, die die Erdschollen schälen. Sie weiß, dass dieses Feld ihr Körper
ist und das Geräusch das ihres Kopfes, der dort, wohin sie sie stoßen, gegen
die Wand schlägt.
Als sie als Punk
gekleidet zu Hause erschienen war, hatte ihr Vater sie nicht mehr gegrüßt. Sie
hatte angefangen zu arbeiten, um unabhängig zu sein. Dann hatte sie das Glück
gehabt, ihren Bauch gegen einen Haufen Geld verleihen zu können. Sie schaut die
Trompete auf dem Boden an. Fragt sich, wo der spärliche Bart geblieben ist, wo
die Augen dieses traurigen Ehemanns sind und ob sie ihr wohl gerade zusehen.
Vor Jahren war Diego
drogenabhängig. Die niederschmetternden Bilder von damals kommen ihm wieder in
den Sinn, die mit Schleim und Schaum verschmierten Gestalten auf dem Asphalt.
Einmal war auch er so heruntergekommen und wurde von einem rechtzeitig
eintreffenden Krankenwagen wie durch ein Wunder gerettet, mit einer Spritze
direkt ins Herz. Er kauert sich neben die Besen. Und ihm ist, als hätte er sich
von jenem Bürgersteig damals in Brignole nie wegbewegt.
In der Ferne ist
dieser weiße, zappelnde Fuß.
Aska liegt auf dem
Boden. Sie ist nicht ohnmächtig geworden, diesen Trost hatte sie nicht. Sie
blieb bei Bewusstsein, erlitt das Böse bis zur Neige, nichts wurde ihr
geschenkt. Und er hat keinen Finger gerührt, um sie zu beschützen. Es hatte
keinen Sinn, sich umbringen zu lassen, sich in den Kopf schießen zu lassen, in
den Mund. Er ist zwischen den staubigen Besen noch weiter zurückgewichen, um
nichts mehr zu sehen. Und hat seine Hände auf die Ohren gepresst, um die
Schreie nicht zu hören.
Der Morgen graut, als
die Wölfe abrücken, sie ziehen sich mit ihren Jeeps und ihren Patronengurten in
die Berge zurück und feuern letzte Schüsse in die Morgenröte.
Diego hat die
Schatten vorbeiziehen sehen, Aska war auf den Beinen, sie glitt an ihm vorüber,
die Treppe hinuntergestoßen. Ihm war, als habe sie ihr Chenillekleid an und
ihre Trompete bei sich. Vielleicht ist ja nichts von dem, was er gesehen hat,
wirklich passiert.
Diego lässt die Zeit
verstreichen, wartet darauf, dass die Stille hart und fest wird. Dass sie die
Schreie auffrisst und das Böse, das wie aus dem Erdboden hervorgebrochen eben
noch da war. Er spürt die Vergewaltigung in den Knochen, im Hintern, in der Milz.
Keines seiner Organe ist an seinem Platz, Fleisch, das im Gehirn pocht.
Nichts hat er getan,
keinen Finger gerührt. Als Aska an ihm vorbeistolperte, ist sein Fleisch wie
erstarrte Lava gewesen.
Er kommt aus seinem
Versteck, kommt hinter dem Vorhang hervor, der ihn zwar verborgen, doch nicht
vom Bösen abgeschirmt hat. Er ist nicht tot, doch er ist alles andere als am
Leben. Mit steifen Beinen und mit Augen, die herausfallen möchten, wie Steine.
Sie nehmen Bilder auf, die sich nicht einprägen, die ihm in den Magen rutschen
wie in eine Senkgrube. Er geht zu dem umgepflügten Zimmer, würgt den
zurückgebliebenen Geruch hinunter, ein stickiges Gemisch aus organischen Ausdünstungen
und Nikotin. Auf den Laken die Spuren der Stiefel, der Stuhl umgestürzt,
Schmutzreste. Er nimmt seine Jacke und seine Kamera und geht nach unten.
Er hört ein Lied. Das
ist Anela, die Wirtin dieser Pension für Studenten und
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