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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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Freunde, die
Lampen, die noch fehlen, ein verlängertes Wochenende, das man da auf diesem
Öko-Bauernhof in Argentario am Meer verbringen könnte.
    Ich kann nicht sagen,
dass es eine unglückliche Ehe war, es war ein Besuch in einem dieser
Design-Ausstellungsräume, man setzte sich auf die Sofas, sah sich die neuen
Küchen ohne Anschlüsse an, probierte die Sitze aus, legte sich auf die Betten.
So blieb es, ohne schmutzige Laken, ohne zerbrochenes, abgenutztes Geschirr,
ohne Kratzer auf dem Parkett, ohne Auseinandersetzungen. Es war etwas, das ich
mir vorgenommen hatte, um einem stumpfen Willen zu gehorchen. Ich wollte mich
wenigstens ein paar Tage an das Gelübde halten.
    Abends kommt Fabio
nach Hause und setzt sich zu mir auf das Sofa, manchmal nimmt er meine Hand,
manchmal ist er müde, dann hält er sich seine Hände, eine auf der anderen, auf
der Knopfleiste seiner Hose. Ich weiß nicht, was er denkt, frage mich das auch
nicht. Weiß auch nicht, was ich selbst denke. Finde es nicht unangenehm, mich
in diese vier Wände zurückzuziehen, in diese Designerkaserne. Es fehlt uns an
nichts, wir sind jung und sehen ziemlich gut aus. Die Duschkabine ist die teuerste,
die es gab, aus nur einer gebogenen Glasscheibe. Wir gehen barfuß auf dem Holz
wie in der Werbung. Wir sind ein junges Paar, Probleme mit der Zeiteinteilung
oder Ähnlichem gibt es nicht. Der Kühlschrank ist oft leer. Ab und zu packen
wir einen Einkaufswagen im Supermarkt voll. Fabio beschwert sich nicht, er
isst, was er findet. Samstags kocht immer er, dazu bindet er sich eine lange,
weiße Profikochschürze um, die er sich in einem Hotel hat schenken lassen. Wir
laden oft Gäste ein, es macht uns Spaß, gemütliche Abendessen für Freunde zu
veranstalten. Wein zu öffnen, Kerzen anzuzünden.
    Fehlt mir der Junge
aus den ligurischen Gassen? Ich denke nicht darüber nach. In dieser weißen
Wohnung ist kein Platz für ihn. Ich weiß, dass er verreist ist. Endlich hat er
sich ein Herz gefasst und ist in die rote Gegend an der Grenze zum
Amazonasgebiet gefahren. Das wollte er schon immer tun, den Rucksack voller
Filme, die Kamera um den Hals, per Anhalter, stinkende Züge, Lastwagen voller
Laub, Kinder zum Fotografieren. Gut so. Jeder an seinem Ende der Welt, in
seinem Stückchen Leben. An der Universität geben sie mir kein Geld, ich
verdiene keine müde Lira. Ich denke darüber nach, dort aufzuhören, habe diesen
Mief satt. Mein Forschungsauftrag ist nicht verlängert worden, Andrić interessiert mich nicht mehr, er ist
Vergangenheit wie alles andere auch.
    Wir stehen vor dem
Kühlschrank, ich und Fabio.
    »Was ist?«
    »Ich bin unzufrieden
mit mir.«
    »Das bist du doch immer.«
    Ich stürze mit dem
Motorroller, rutsche im Regen aus. Ich tue mir nichts, bleibe aber trotzdem wie
ausgestopft sitzen, unfähig, mich zu rühren, mich von den Autos wegzubewegen.
Ein Junge hilft mir auf. Einer aus dem Gymnasium. Er hat ein Bandana um den
Hals und ein nasses Gesicht.
    »Danke.«
    »Keine Ursache,
Signora.«
    Ich bin eine Signora.
Bin eine elende Signora. Schiebe meinen Motorroller durch den Regen. Halte an
einer Bar, trinke ein Bier. Ein einsames Bier nachmittags um vier. Ich gehe zu
meinen Eltern, trockne mir die Haare, mache mir einen Zopf und ziehe die Jeans
und einen alten Pullover aus meiner Oberschulzeit an.
    Mein Vater trifft
mich und mein weißes Gesicht auf dem Flur.
    »Um diese Zeit, wie
kommt’s denn?«
    Ich wollte den
kleinen, grünen Plastikstuhl holen. Mein Hintern passt jetzt besser hinein, ich
habe abgenommen. Ich setze mich auf den Balkon meiner Eltern. Es wird zur
Angewohnheit, hier draußen zu sitzen, eingezwängt in den Stuhl, die Knie dicht
am Mund, die Pulloverärmel über die Hände gezogen, wenn es kalt ist. Ein Stück
Uferstraße ist zu sehen, ich betrachte die Möwen, die aus dem Meer aufsteigen,
die Leute, die joggen gehen. Ich fange wieder mit dem Rauchen an, vor ein paar
Jahren hatte ich damit aufgehört. In die Uni gehe ich nicht mehr.
    »Und was machst du?«,
fragt meine Mutter.
    »Einen Scheißdreck.«
    Fabio ist Mitglied in
einem Sportklub, abends spielen sie Hallenfußball. Ich gehe mit. Stehe an die
Absperrung geklammert und rauche. Das Grüppchen der Ehefrauen feuert die Männer
an, die Absätze haken in den Tribünenstufen. Die auf das Spielfeld gerichteten
Scheinwerfer strahlen eine nächtliche Herde verschwitzter Hornochsen in
glänzenden Shorts an.
    »Ich will nicht mehr
mitkommen, es ist feucht hier.«
    Fabio nickt, er

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