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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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vorläufig
unbehelligt. Das Meer war groß und schwarz, Mondstreifen lagen auf seiner
Oberfläche. Wir waren ein Paar im mittleren Alter, nicht schön, nicht hässlich.
Aber sympathisch, das ja. Hätte uns jemand gerufen, hätten wir uns mit einem
Lächeln umgedreht, mit dem Wunsch, ihm entgegenzukommen.
    Oft bemerken wir
nicht, was wir haben, sind dem Leben nicht dankbar. Ich berührte Giulianos
Hüfte, roch den Duft seines Rasierwassers, der mich zusammen mit dem des Meeres
anwehte, und dankte dem Leben dafür, dass es mir diesen anständigen Mann
gegeben hatte.
    Meine Mutter fragte
mich nach den Hochzeitsgeschenken, aus Nervosität, glaube ich, um nicht über
Dinge zu reden, die der Rede wert waren, die ihr jedoch Kummer bereitet hätten.
»Ich habe alles Fabio überlassen«, sagte ich, ohne bei ihr stehen zu bleiben,
bei ihrem Körper, reglos am Türpfosten. Mein Vater zog ein düsteres Gesicht, er
stellte sich betrübt, zurückhaltend. So musste sich wohl seines Erachtens der
Vater einer Tochter verhalten, die einen jungen, mit öffentlichen Aufträgen gespickten
Ingenieur heiratet und nach wenigen Monaten Ehe wieder nach Hause zieht.
    »Was! Du hast ihm die
Kochtöpfe gelassen?« Er musste lachen, während meine Mutter ihm Blitze
entgegenschleuderte. Ich packte eine kleine Tasche.
    »Wo willst du denn
hin?« Neugierig und nur scheinbar beleidigt. Der Schurke.
    »Ich mache eine
kleine Reise.«
    »Und wohin?«
    Ich antwortete nicht.
Als er sich an der Tür von mir verabschiedete, bat er mich, ihm ligurische
Nudeln und Pesto mitzubringen. Er lächelte. Er wusste Bescheid.
    Ich steige in
Genua-Brignole aus, ich gehe durch den Regen und halte zwischen den
Autoscheinwerfern nach einem Taxi Ausschau. Weit und breit ist keins zu sehen.
Ich habe seine Adresse, weiß aber nicht, ob er zu Hause ist. Es soll eine
Überraschung sein. Ich passiere die Grenze von der reichen Stadt zur Kasbah.
Man muss einfach nur bergab gehen, dem Geruch des Meeres nach. Gassen, schmal
wie Schnürsenkel, herabgelassene Rollläden. Die Straße zum Hafen ist eine
Stickerei aus blassen Lichtern … auf Motorhauben liegende Fixer, Gestank nach
angebrannten Kichererbsen, nach Hafendreck. Er wohnt in einem Block mit
Sozialwohnungen in einem schiefen Tal. Irgendwo bellt ein eingesperrter Hund.
Es regnet nicht mehr, aber es ist feucht. Aus der Sprechanlage ertönt eine
Frauenstimme, dünn und heiser.
    »Wer ist da?«
    »Ich bin eine
Freundin von Diego.«
    Die Stimme
verschwindet von der Sprechanlage, und ein Kopf erscheint unter einem
hochgezogenen Rollladen im ersten Stock. Hellgelbes, ordentliches Haar, ein
Morgenrock, der wohl türkisblau ist. Die Frau mustert mich.
    »Bist du die aus
Rom?«
    »Ja.«
    Sie öffnet mir,
bittet mich herein. Diego ist nicht da, wird aber wiederkommen. Er fotografiert
in irgendeiner Garage eine Band von Freunden. Sie ist klein, schmächtig wie ihr
Sohn, hat jedoch andere Augen, hellblaue, und die gleiche, etwas breite Nase. Ich
entschuldige mich, weil ich sie um diese Uhrzeit störe. Das ist doch keine Störung , sagt sie, das ist eine Freude . Sie entschuldigt sich nun ihrerseits
für die unordentliche Wohnung, doch mir kommt sie tadellos vor. Sie hat die
polierten Möbel bescheidener Häuser und einen angenehmen Geruch. Die Frau
bietet mir einen Platz in einem Wohnzimmer an, dem man ansieht, dass es nie
betreten wird. Sie will mir etwas zu essen und zu trinken geben. Ich gehe ins
Bad, um meine Hände zu waschen, und sie kommt mir mit einem sauberen Handtuch
hinterher. Ich nehme etwas Warmes an, einen Kamillentee. Sie schaut mich an. Ich
stehe auf, sie auch, blitzschnell. Als hätte sie Angst, ich könnte wieder
gehen. Dabei bin ich nur aufgestanden, um ihr ein kleines Geschenk zu geben,
das ich ihr mitgebracht habe, eine Uhr für den Nachttisch, in einer
Porzellanmaske. Sie beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss.
    »Das war doch nicht
nötig.«
    Sie küsst mich noch
einmal. Ich spüre ihren bebenden Körper an meinem.
    »Diego hat mir so
viel erzählt …«
    Sie hat einen starken
Genueser Akzent, ein kleiner Singsang. Sie heißt Rosa.
    Jetzt fällt ihr auf,
dass meine Haare nass sind, sie besteht darauf, dass ich ins Bad gehe und sie
trockne, gibt mir noch ein sauberes Handtuch.
    Sie zeigt mir Diegos
Zimmer. Da ist das Fußballposter von Genoa, da ist die Stereoanlage, da ist das
aus Brettern von ihm zusammengenagelte Bett, die Laken sind blau, zerwühlt. Da bin
ich, überall. Mein Bauchnabel ist am Fußende des

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