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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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Diego hatte zu
kräftig gewürzt. Mein Vater bekleckerte sich das Hemd, meine Mutter schüttelte
den Kopf und fuhr mit einem Serviettenzipfel über den schrecklich roten Fleck.
    »Was machen Sie
beruflich?«, fragte sie Diego.
    »Ich bin Fotograf.«
    Sie nickte: »Aha.«
    Sie aß noch einen
Bissen, dann kam sie auf das Thema zurück.
    »Fotograf wovon?
Werbung … Hochzeiten …«
    Diego lächelte, er
zielte mit der Gabel, an der eine dicke Nudel steckte, auf eines seiner Fotos
an der Wand.
    »Von Pfützen.«
    Ich kicherte los,
denn ich hatte schon zwei Gläser getrunken, ich war fröhlich. Ich hatte das
Parkett geklebt und hatte die Wände gestrichen. Auch meine Mutter versuchte zu
lachen. Das tat mir etwas leid, ich kannte diese Anstrengung, diese Hölzernheit.
    Mein Vater setzte
sich die Brille auf und ging zur Wand, um sich Diegos Fotos anzuschauen. Er
rief meine Mutter: »Annamaria, komm mal, sieh dir das an.«
    Und Annamaria ging
hin. Da standen sie nun, meine alten Herrschaften, mit dem Rücken zu uns, die
Nase dicht an der Wand, und versuchten, in Diegos Bildern etwas von mir aufzuspüren,
was ihnen entgangen war.
    Später entspannte
sich meine Mutter, sie begann uns zum Essen einzuladen, sogar zu oft. Jetzt
hielt sie Diego die Wangen hin und wartete an der Tür auf die klebrigen
Kinderküsse. Im Grunde hatten mein Vater und ich sie immer ein bisschen allein gelassen,
wir waren intelligenter als sie, eigenbrötlerische Köpfe, durchsetzt mit
arroganten Extravaganzen. Dieser dünne Junge, der wie ein Wasserfall redete und
unentwegt aufstand, um ihr zu helfen, rührte sie an. Sie tat ihm gigantische
Portionen auf.
    Einmal kaufte sie ihm
einen Pullover und steckte ihn mir an der Wohnungstür in die Tasche, weil sie
sich schämte, ihn ihm direkt zu geben.
    »Was ist das, Mama?«
    »Nichts weiter, ein
Pullover … Falls er euch nicht gefällt, könnt ihr ihn ja verschenken.«
    Doch Diego zog ihn
sofort über, diesen schönen, doppelt gestrickten Wollpullover mit Rollkragen.
    »Den habe ich zehn
Jahre lang, das ist das klassische unverwüstliche Stück.«
    Meine Mutter war rot
geworden, froh darüber, die richtige Farbe, die richtige Größe getroffen zu
haben, froh darüber, dass Diego so unkompliziert war, so ganz anders als ich.
    »Lass uns nach Hause
gehen, Liebling.«
    »Ciao Pa, ciao Ma.«
    Ich schlüpfte schnell
in den Fahrstuhl, er hing noch einen Moment an diesen alten Wangen.
    »Ciao Kinder, bis zum
nächsten Mal!«
    Er nannte sie allen
Ernstes Kinder .
    So hatte die Ebene
unserer Normalität begonnen. Ich fürchtete, dass der tägliche Trott, dieses
Wiederkäuen der immergleichen Dinge früher oder später auch uns zermürben würde
und dass irgendwann zusammen mit einem dieser Tage bei schlechtem Wetter und
Smog die Ernüchterung durch die Lamellen der Fensterläden lugen könnte. Beide
würden wir, voneinander losgelöst, wieder anfangen, jeder an sich zu denken, an
die eigenen Probleme. Auch über uns würde sich der trübe Schleier legen, der nach
einer Weile die Paare umhüllt, wenn die Illusion schwindet und mit ihr die
wohlwollende Blindheit, die die Fehler des anderen verblassen lässt. So geht
das immer, so ist es auch meinen Eltern ergangen. Mein Vater war froh, wenn er
morgens aus dem Haus gehen konnte, und auch meine Mutter holte tief Luft und sog
selig den Duft ihrer Einsamkeit ein. Trotzdem hatten sie sich gern, sie
respektierten sich.
    Doch wir gehörten
einer anderen Welt an, einer vielleicht kühneren und jedenfalls nicht so
monogamen. Wir waren bröcklige Naturen, Kinder der Verweichlichung, jenes
Wohlstands, der als die einzig notwendige Errungenschaft zur Schau gestellt
wird.
    Viele meiner alten
Freunde hatte ich aus den Augen verloren, nach der Trennung von Fabio waren sie
weggeschrumpft wie verfilzte Wolle. Die wenigen Pärchen um die dreißig, mit denen
wir uns gelegentlich trafen, waren deprimierend. In nur wenigen Jahren waren
sie lahm geworden und abgeschlafft. In Restaurants, in den Umkleidekabinen der
Geschäfte und der Fitness-Center redeten sie lauthals über Geld und Sex. Sie
sagten nicht mit
jemandem schlafen ,
sie sagten ficken , und sie breiteten ihr Intimleben
aus. Schamgefühl schien es nicht mehr zu geben, offenbar war es von der Ironie
verschlungen worden.
    Diego akzeptierte die
entwürdigenden Abende, zu denen ich ihn von Zeit zu Zeit mitschleppte.
    »Wir dürfen uns nicht
so abkapseln«, sagte ich zu ihm.
    Er pflanzte sich
irgendwo in eine Ecke und goss sich ein

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