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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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Eine
lächerliche Ausrede. In Wahrheit habe ich keine Lust hinzugehen, ich fühle mich
dort wie am Pranger.
    Wir hatten gehofft,
dass es leichter sein würde. Hatten uns ein Kind erträumt, das schon auf uns
wartet. Stattdessen wissen wir jetzt, dass wir uns lange gedulden müssen, dass
wir kilometerlange Stunden der Nachforschungen durchstehen müssen. Wir
erfahren, dass wir kein Neugeborenes bekommen können, die gibt man unerfahrenen
Paaren nicht.
    Vielleicht hat auch
Diego Angst.
    Im Elternratgeber
steht, die beiden ersten Lebensjahre seien die wichtigsten. Dieses geschmeidige
Eisen kann man noch schmieden. Danach muss man mit hartem Material arbeiten.
    Ein Werbefachmann,
den Diego in der Agentur kennengelernt hat, lädt uns zum Abendessen ein. Er und
seine Frau haben ein kleines Mädchen adoptiert: Ludmina ist süß, blond und
schmächtig, sie sieht aus wie Glöckchen aus Peter Pan . Die Wohnung ist modern und
fernsehkameratauglich. Dunkle Flächen, die Küche mit einem hohen Arbeitstisch
in der Mitte. Die Mutter ist Engländerin und blond wie die Adoptivtochter. Die wirklich
Ähnlichkeit mit ihr hat. Vielleicht haben sie sie deshalb ausgesucht, dieser
Gedanke ist erbärmlich, doch nun habe ich ihn gedacht. Weil ich weiß, dass es
stimmt. Ich bin sehr aufmerksam geworden, eine Tiefenforscherin. Alles ist sehr
gefällig, der Rotwein in den passenden Gläsern und der Blumenkohlauflauf mit Béchamelsauce.
Das Paar wirkt harmonisch, die beiden sind freundlich zueinander. Der Vater
öffnet den Herd mit einem Küchenhandschuh, die Mutter füttert das Mädchen, das
fast sechs Jahre alt ist, sich aber immer noch bedienen lässt. Später bringt
sie es ins Bett. Ludmina verabschiedet sich mit ihrer Puppe, die ihr wie eine
Verlängerung am Arm hängt. Die Mutter kommt zurück und zündet sich eine
Zigarette an. Sie nimmt die Schälchen mit dem Pudding aus dem Wasserbad. Nach
einer Weile kommt auch das Mädchen wieder, es will Wasser, sagt es auf
Russisch. Wenn es müde ist, spricht es seine Muttersprache. Die Mutter drückt die
Zigarette aus, gibt ihm Wasser und bringt es zurück. Das Mädchen kommt wieder,
es hat immer noch Durst. Dann geht der Vater mit, das Mädchen kommt wieder und
wieder heraus. Jetzt hat es ein anderes Gesicht. Es ist nicht mehr so schmächtig.
Die mörderische Verlegenheit wird spürbar, die schon seit einer Weile in der
Luft liegt, über diesem zeitgemäßen Tisch … ohne Grenzen. Ein Italiener, eine
Engländerin und ein russisches Kind. Allmählich zerbröckelt das
fernsehkamerataugliche Schloss. Das Mädchen ist todmüde, hat jetzt aber
überhaupt nicht mehr die Absicht, ins Bett zu gehen. Die Eltern sehen sich an,
vielleicht sind sie kurz davor, sich zu streiten. Der Werbefachmann hat nun die
roten Wangen eines Menschen, der schreien möchte, doch nicht kann, weil er
einen Knebel im Mund hat. Die Mutter raucht noch eine Zigarette, etwas Asche fällt
auf ihr Wolljäckchen, sie wischt sie weg und besieht sich das kleine Loch. Und
da sind noch wir. Sie entschuldigen sich, lächeln. Lassen das Mädchen jetzt
tun, was es will. Es wirft mit Kissen, springt herum, es hat ein grässliches
sprechendes Spielzeug eingeschaltet. Im Nu zieht es diese ganze Gemütlichkeit
in den Dreck, diese ganze Herzlichkeit wie aus der Werbung. Der Vater steht auf
und flüstert ihm etwas ins Ohr. Auch die Mutter geht zu dem Mädchen, doch es tritt
mit dem Fuß nach ihr. Am Tisch wird zusammen mit dieser kleinen Zwietracht
Portwein serviert. Dann sackt das Mädchen vor den Tom und Jerry -Filmen auf dem Boden in sich
zusammen. Die sehen wir uns auch eine Weile an, mit verdrehten Hälsen am Tisch.
Der Ton ist zu laut, als dass wir ihrem Sog widerstehen könnten. Die Mutter
nimmt die Kassette aus dem Videorekorder und beginnt zu reden. Sie erzählt mir
einen Haufen poetischen Quatsch, von der Reise, von der Begegnung mit Ludmina
im Zimmer des Waisenhauses. Dann bricht ein Stück Wahrheit hervor. Das Mädchen
lehne sie ab, es erinnere sich an seine Mutter, deshalb sage es, wenn es wütend
ist, Du bist
nicht meine Mutter ,
zu ihr. Mit dem Vater klappe es besser, doch das Mädchen sei sehr aggressiv. Es
sei gut, dass es das ist, denn das bedeute, dass es seinen Schmerz ausspuckt,
die Wut, die es in sich trägt, die Wut aus dem Waisenhaus mit den hohen Gittern
an den Kinderbetten, wie im Gefängnis. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie man
sie dort hält, es ist unbeschreiblich.« Sie ist tief bewegt. Dann sagt sie
einen

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