Das Schützenhaus
Starten und Landen filmen und ihnen auf der Leinwand zeigen, welche Fehler sie gemacht haben«, sagte ich.
»Es hilft nüscht, wir bekommen ein Kino«, nuschelte Klingbeil. »Soldat Pommrehnke schweißt seine beiden Karrieren zu einer einzigen zusammen. Folgen Sie mir zum Major, Sie Würstchen. Sind alle Knöppe dran?«
Klingbeil organisierte Rohfilm. Der Major hatte mich gefragt, ob ich mit einer Kamera umgehen könne. »Ich bin in der Filmbranche«, hatte ich geantwortet.
Als schwerwiegende Fehler beim Start gelten Überziehen und Überdrücken. Beim Überziehen kamen die Flugschüler nicht hoch, knallten auf die Piste und verbogen das Fahrgestell, falls sie nicht Bruch machten. Beim Überdrücken stellten sie, ohne daß sie vom Boden abkamen, die Kiste auf die Nase. Eine Sammlung zersplitterter Propeller zierte die eine Kasinowand.
In den Kisten hatte ich eine Arriflex 35 II C gefunden. Nach einer Weile konnte ich damit umgehen. Wir filmten mit normaler Geschwindigkeit und mit Zeitlupe. Für das Stativ hatte ich einen Schwenkkopf besorgt, ich konnte also mit der startenden Maschine mitgehen.
Auf der Leinwand sah das eindrucksvoll aus. Wir drückten die Fehlerquote herunter. Schließlich drehten wir mit den Fluglehrern einen Lehrfilm, den sich die Flugschüler ansehen mußten. So kam ich doch noch zum Fliegen: Fehler beim Kurvenfliegen demonstrierten wir, indem wir die Kamera vor dem Vordersitz eines Schulflugzeugs montierten und aufnahmen, was uns ein Fluglehrer mit einer anderen Maschine zeigte. UnsereFeldschmiede hatte uns einen Radkranz konstruiert, auf dem sich die Kamera bewegte.
Joachim bekam, nach jenem Brief aus Smolensk, zweimal Heimaturlaub. Beide Male war der Anlaß, daß russische Ratas sein Kinomobil zusammengeschossen hatten. Beim zweiten Mal berichtete ich ihm von meinem speziellen Lichtspieltheater, dessen Programm aus diesen Lehrfilmen bestand.
»Ich glaube, ich habe eine Idee«, sagte Joachim. Er rief einen Schulfreund an, der, inzwischen ein hohes Tier, im Reichsluftfahrtministerium saß. Dunkel erinnerte ich mich an den Menschen, der mehrere Male mit Joachim in der Eis-Anneliese gewesen war. Zu zweit hatten Joachim und er die »Lyzen« belagert.
Die nun folgende Zeit erscheint mir, als ob ich mich als Agierenden auf einer Bühne sehe. Heute noch kann ich mich nicht mit den Ereignissen identifizieren, deren Hauptdarsteller ein gewisser Hansi Pommrehnke war, Luftwaffensoldat, mit einer Kamera bewaffnet am Rand des Rollfeldes. Mit jenem Hansi Pommrehnke, der eines Tages, die Spulen seiner Lehrfilme im Kübelwagen, nach Berlin in Marsch gesetzt wurde, zum Vortrag im Reichsluftfahrtministerium.
Wenn ich mich richtig erinnere, führte ich die Filme vor einem Parkett von Offizieren vor. Als das Licht wieder anging, durfte ich, Soldat Pommrehnke, »bequem stehen«. Ich hörte, daß einige Lehrfliegerhorste eine Kameraausrüstung bekommen hatten, für eben den Zweck, zu dem ich sie verwendete. Die Angelegenheit war nur in Vergessenheit geraten, unter anderem deshalb, weil sich keine Kameraleute fanden. Wer kurbeln konnte, wurde von Goebbels u.k. gestellt, die deutsche Spielfilmproduktion hatte Vorrang.
Jetzt wurde die Lehrfilm-Herstellung befohlen, ich sollte Kameramänner der Luftwaffe ausbilden.
Irgendeinem Oberst fiel ein, daß es nicht gut angehe, daß ein einfacher Soldat der Ausbilder sei. Die Kommißmaschinerie sah Blitzbeförderungen für Bodenpersonalangehörige nicht vor. Offizier, wie es dem Oberst wünschenswert erschien, wurde man schon gar nicht über Nacht.
Nächstes Bild: Ich sehe Hansi Pommrehnke in der Uniform eines Sonderführers. Wegen der schmalen Schulterklappen nannte man die Sonderführer Schmalspursoldaten. Ich glaube nicht, daß jemals irgendein Kommißhengst einen Sonderführer ernst genommen hat. Allenfalls forderten jene Sonderführer, die ein Parteiabzeichen trugen, zur Vorsicht heraus.
Das trug ich nicht. Man ließ mich gewähren. Stattete mich mit Dienstwagen, Fahrer, Assistenten aus. Wir reisten von Fliegerhorst zu Fliegerhorst. Selbstverständlich mußten wir zwischendurch nach Berlin. Wenn ich ins Schützenhaus kam, sagte Anneli: «Du erschreckst die Kinder. Zieh die Portiersuniform aus.«
Leider fiel meine Tätigkeit bereits in eine Periode, die durch Rückzüge gekennzeichnet war. Alliierte Bomber griffen Leuna an. Bei der Benzinversorgung entstand ein Engpaß. Der Flugdienst wurde eingeschränkt. Major Schwarzbach wollte sich das nicht gefallen lassen.
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