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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Filme, die für alle geeignet sind. Oder ein Kurzfilm-Sonntag. Dann, als nächstes, Freitagabendkino. Am Freitag bekommen sie Lohn.«
    »Dafür sollen sie sich ’ne Molle kaufen«, schrie Tante Deli.
    Zeppelin fuhr unter Annelis Stuhl vor und bellte. Aber Tante Deli, einmal in Fahrt, beachtete den Hund nicht.
    »Alle rennen in euern Kintopp, die Kneipe bleibt leer. Und der Mensch, der uns den Laden angedreht hat, der aus der Stadt, fährt mit einem Lastwagen Geld in die Schweiz. Da kauft er sich ’ne Villa und tapeziert die Zimmer mit den Geldscheinen, oder? Nee, das schlagt euch aus dem Kopp. Da beißt sich der Hund in den Schwanz.« Sie warf einen Blick zu Zeppelin hinüber, der wieder unter den Stuhl rutschte.
    Ich dachte daran, wie Zeppelin sich manchmal in den Schwanz biß, wenn er Flöhe hatte. Zeppelin drehte sich dann im Kreis, in der Hoffnung, daß die Flöhe sich durch Fliehkraft auf seinem Schwanzende versammelten, schließlich biß er hinein.
    Inzwischen redeten alle gleichzeitig. Hubert, der Bierfahrer, war für den Plan, er sagte, nach dem Kino kämen sie auf ’ne Molle ins Schützenhaus. Seine Frau sagte: »Keiner wird kommen. Hier raus kommt keiner, um ins Kino zu gehen.« Ihre Schwester, Ede Kaisers Verlobte, sagte »Vielleicht doch«, undEde meinte, manche würden, sternhagelvoll, mit der Taxe in die Stadt zurückfahren. Robinson Krause sagte; »Kino ist immer gut. Kino ist das neue Medschumm.« Worauf Papa Warnickes Freundin Lydia ihn anfuhr: »Oller Esel! Die Zukunft jehört det Radio!«
    Joachim wollte noch etwas sagen, aber sie ließen ihn nicht zu Wort kommen. In ihren Augen war er ein Kind, und es war ohnehin sensationell, daß unser Vater ihn aufgefordert hatte, seine Meinung zu äußern. Grundsätzlich hielten Kinder in Erwachsenenkreisen den Mund. Schnauze, sonst Beule.
    Schließlich donnerte mein Vater: »Ruhe im Beritt!« Er stand auf und trank sein Glas aus. »Die Angelegenheit will überlegt sein«, sagte er. »Ich will das überschlafen. Gute Nacht allerseits. Im Bett kommen mir die besten Ideen.«
    Ede Kaiser murmelte respektlos: »Mir komm’n se uff’m Lokus.« Aber niemand hörte ihn.
    Zeppelin stand auf und folgte unserem Vater. Noch immer lag er gern unter Vaters Bett. Ich fragte mich, ob er meinem Vater in Tante Delis Zimmer nachschlich, falls die beiden dort im Bett lagen und alle die Sachen machten, über die ich nun Bescheid wußte, und was sich ein Hund dabei dachte. Vielleicht fand Zeppelin alles normal, weil ihm die Vergleichsmöglichkeiten fehlten. Nachts, wenn Wildenten im Park aufflogen und Schreie ausstießen, hörten wir Zeppelin jaulen. Das war seine Welt. Zeppelin war es egal, daß für Joachim und mich, wie Joachim schließlich auch zugab, »eine Welt zusammengebrochen war«. Wieder zeigte Joachim sich unschlagbar, was Formulierungen anbetraf.
    Wir »Kinder« zogen uns in unsere Zimmer im ersten Stock zurück. Gedämpft drang der Lärm aus der Gaststube an unsere Ohren. Als ich am Einschlafen war, hörte ich Anneli herantappen. Hackengang. »Laß mich rein«, sagte sie und schlüpfte unter meine Decke, »ich kann nicht schlafen. Wie kannst du schlafen, wenn es spannend wird?«
    »Was wird spannend?« flüsterte ich. »Sie werden darüber reden, morgen, übermorgen, und dann sagt mein Vater ›Eskadron– halt‹. Das kennen wir doch. So ist es immer gewesen, wenn es um unsere Angelegenheiten geht. Als du das Fahrrad haben wolltest. Hast du ein Fahrrad? Nein. Du mußt dir Lieschens Fahrrad borgen, und sie gibt es dir nur, wenn sie mit Joachim knutscht.«
    »Wer spricht von mir?« Joachim stand vor meinem Bett. Flüsterte: »Rückt mal.«
    Zu dritt lagen wir in meinem Bett, starrten in die Dunkelheit. Joachim murmelte: »Ich fahre morgen zu dem Onkel.«
    »Welchem Onkel?«
    »Der den Kintopp verkauft. Die Projektoren. Man muß wissen, was man bekommt.«
    »Was man bekommt?« flüsterte ich zurück. »Du tust, als sei unser Vater bereit, dir ’nen Kintopp einzurichten. Und dann. Liest du keine Zeitung? Der Tonfilm ist im Kommen. In den großen Häusern haben sie Projektoren mit Edison-Apparaten gekoppelt. Oder mit Grammophon. Al Jolson in ›Jazz Singer‹. Da stand sogar dir der Mund offen. Tonfilm! Und dann, wenn unser Vater dir die Pro… pro…«
    »Projektoren«, flüsterte Anneli und kicherte.
    »Was gibt es zu lachen? Mir fiel gerade das Wort nicht ein.«
    »Alles steckt in den Kinderschuhen«, sagte Joachim. »Nachher setzt sich eine Technik durch, von

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