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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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die Fahne – ist mehr als der Tod.«
    Männer des SA-Sturms exerzierten auf der Wiese. »Privateigentum«, ließ mein Vater ein Schild aufstellen, doch es zeigte keine Wirkung. An der Spitze des Haufens marschierte Hannemann, in Röhrenstiefeln, dunklen Breeches und braunem Hemd. Den Sturmriemen seiner mit dem Hakenkreuz verzierten Mütze hielt sein unausgeprägtes Kinn. Die Koteletten hatte er sich abrasiert. Ich erwartete die Abnahme seiner Uniformmütze, denn ich war sicher, daß seine Haartolle nun von Pomade befreit erscheinen würde. »Die Fahne war mehr als der Tod« – also paßte Pomade nicht hierher.
    »Reechts – um!«
    »Können Sie nicht lesen? Privateigentum«, brüllte mein Vater.
    »Och, wir üben doch nur«, sagte Hannemann.
    Er betrat die Gaststube in seiner Kluft, warf die Mütze auf den Tisch, was ihm den Arsch mit Ohren einbrachte, von Tante Deli stillschweigend herbeigebracht. Hannemanns Haar war trocken und kurzgeschnitten. Lydia quengelte: »Ick erkenne dir nich wieder, Hannemännchen.«
    Hannemännchen saß kerzengerade, hatte ein für allemal den preußischen Ladestock verschluckt. Neue Würde, die Befremden erregte. Die anderen Gäste schauten herüber, die aus der Laubenkolonie mit verzerrten Gesichtern. Ich hörte, wie einer von Winfrieds Freunden murmelte: »Die Pfeife …«
    Unser Stenz und Erzzivilist, der uns das Zeitalter des Radios eröffnet hatte, war nun ein Mitglied der Bewegung. Ganz wohlfühlte er sich noch nicht in seiner Uniform, nicht einmal im Kreis seiner Kameraden, die Bier verlangten. »Gestatten …«, sagte Robinson, sammelte die Mützen ein und hängte sie auf den Kleiderständer. Der sah aus wie eine Hydra mit SA-Köpfen.
    Tante Deli stand im Rahmen der Küchentür, hinter ihr brutzelten Sonntagsportionen, die ihre Düfte absonderten, später roch es leicht angebrannt, denn Tante Deli entledigte sich, nachdem sie das Radio angedreht hatte, einer ihrer Monologe:
    »Ich denke, mir ist die Brille beschlagen. Hannemann, du Gartenzwerg und Tangobubi, was ist in dich gefahren? Sehe ich dich bar deiner Koteletten? Wo ist deine Schmalztolle? Verrätst du deine Leidenschaften? Jazz und Swing? Marschmusik statt dessen? Bei uns – Sense. Die neue Zeit kannste meinetwegen auf der Kälberinsel angröhlen. Hier nich, verstehste? Und die Kluft. Haste keine anständige Hose? Mußt du mit dem Wellenbrecher auf unsern wertvollen antiken Bestuhlungen rumrutschen? Zieh dir mal keinen Splitter ein, sonst wirste Opfer des Kampfes um Berlin. Lieber Josef! Wenn dich der Gauleiter sähe. Du hast ja noch Milchschorf an der Birne. Ich schlage vor, du und deine Freunde, ihr laßt in Zukunft die nette Kluft zu Hause oder in eurer Vereinsbude. Hier verkehren bereits die Schützen. Die ganze Gilde. Also macht euch nicht breit.«
    Hannemann grinste verlegen. Einer von seinen Braunhemdkumpeln stand auf. »Moment, liebe Frau«, sagte er, überhörte, daß Tante Deli raunte, sie sei nicht seine liebe Frau, mit Blick auf meinen Vater gelang es ihr sogar, hinzuzusetzen, sie sei überhaupt niemandes Frau, liebe schon gar nicht…
    Der SA-Mann ließ sich nicht beirren, »liebe Frau«, wiederholte er, »einige von uns sind alte Kämpfer«.
    Er ließ das wirken, ganz hinten sagte einer leise: »Grünschnäbel.«
    »Wir haben Berlin fast erobert, und wir werden Berlin ganz erobern. Unaufhaltsam schreitet der Nationalsozialismus zum Siege. Wir schlagen deshalb vor, daß Sie, Herr Pommrehnke, uns die Schießstände zur Verfügung stellen. Für unser Exerzieren mit Gewehr Achtundneunzig. Ferner möchten wir dasHinterzimmer als Vereinslokal benutzen, als Heim für unseren Sturm.«
    Die Kumpel klatschten, riefen »Hurra« und »Heil«. An den Tischen im Hintergrund standen ein paar Gäste auf und verließen das Lokal. Ich sah, wie Krause wieder einmal draußen kassierte. In ein paar Minuten, meinte ich, würden wir die zweite Klopperei Kommunisten gegen Nazis erleben.
    Die nächsten Worte schienen diese Möglichkeit anzudeuten: »Sie müssen sich, Herr Pommrehnke, nicht sofort entscheiden. Doch wissen wir, wie Sie als alter Leibgarde-Husar und völkisch gesinnter deutscher Mann sich entscheiden werden. Wir kommen wieder.«
    Sie standen auf, holten ihre Mützen, verließen das Lokal, indem sie sich an Krause vorbeidrückten, der gerade hereinkam. Hannemann schlich als letzter raus. Lydia wischte sich die Hände an der Schürze ab.
    »Haben die gezahlt?« fragte Robinson Krause.
    Mein Vater winkte ab. »Geht

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