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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Kasernenhof der Leibgarde-Husaren, dachte ich. Aber ich sagte es nicht. Für die Generation unseres Vaters stürzte die Welt ein. Demokratie hatte ihnen niemand beigebracht. Nun war es zu spät. Joachim meinte: »Es würde mich nicht wundern, wenn dieser oder jener von den alten Husaren Nazi wird. Da wird befohlen, das verstehen sie.«
    »Du meinst unseren Vater?«
    »Der nicht. Ede Kaiser nicht und Papa Warnicke nicht. Die sind von der ganz alten Garde. Halsstarrig. Da muß schon der Kaiser selbst kommen. Oder mindestens der Kronprinz.«
    »Anneli kann ihn fragen. Der reitet auf dem Gut.«
    Noch scherzten wir. Übersahen, wie Sternchen Siegel, der doch unser Freund war, sich mehr und mehr absonderte. Er blieb lieber draußen bei den nun leeren Ställen und der Kegelbahn. Wenn es etwas zu besprechen gab, suchte er Joachim imgrünen Waggon auf. Joachim schickte dann seine Freundin Isabella raus. Sie pfiff dem Hund und spielte mit ihm auf der Wiese. So hatte, spottete Werner, wenigstens der Hund etwas davon.
    Werner brachte manchmal seine Freundin mit, die erste feste in seinem Leben. Sie hieß Margot, und er nannte sie, auch in ihrer Gegenwart, den Meseritzer Breitarsch. Der Name spielte auf Margots ausgeprägte untere Rückenpartie an sowie auf ihren Geburtsort: Meseritz.
    Ich glaube, Meseritz liegt in Schlesien, jetzt wird der Ort polnisch sein oder unter polnischer Verwaltung stehen oder was sich die Herren Staatsmänner an raffinierten Formulierungen ausgedacht haben,
    Margot war sehr hübsch, dunkle Locken rahmten ihr Gesicht ein. Auf den Mund gefallen war sie nicht. »Ihr seid alle mit dem Klammerbeutel jepudert«, sagte sie, bei einem ihrer ersten Besuche.
    Werner hatte ein paar Biere intus und sagte: »Ich verstehe immer jeludert, was meinst du?«
    »Ge – pudert!« sagte Margot mit Nachdruck. »Und warum? Weil ihr nicht seht, was mit eurem besten Freund los ist, mit Sternchen Siegel.«
    »Dem geht es doch gut.«
    »Sternchen ist Jude.«
    »Bekannt. Laß Dampf ab, Mädchen. Mit Filmschaffenden haben die Nazis Geduld.«
    »Margot hat recht«, sagte Joachim. »Sternchen ist gefährdet.« Er rief Lehmann an. Lehmann kam, diesmal ohne Kitty, das war noch nie passiert. Lehmann saß in einigen Aufsichtsräten von Film- und Verleihgesellschaften, unser Kinoprofit verhielt sich proportional zu allem, was L.-L. uns zugeschanzt hatte.
    Im grünen Waggon saßen wir in den Klubsesseln, Isabella spielte draußen mit dem Hund. Wir hatten Sternchen gezwungen, an unserer Konferenz teilzunehmen. »Du mußt raus«, sagte Joachim. »Solange es noch geht.«
    »Ich habe nicht gewagt, euch mitzuteilen, daß ich bin gewillt zu machen de Fliege«, gestand Sternchen.
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Man muß das vorbereiten.«
    Sternchen winkte ab. »Zu viele Ohren. Was geschieht? Se werden mich nehmen hopp. Alles hat Ohren. Die Frau mit dem Wischkodder, der Mensch, was wirft seine SA-Mütze auf den Tisch wie a Stenz, die Braut da auf dem schönen grünen Rasen, was sich spielt mit de Töle. Alles Ohren.«
    »Ich komme wohl im richtigen Augenblick«, sagte Lehmann. »Wir haben ein Kino in Winterthur. Schweiz, nicht wahr? Für das Kino brauchen wir einen erfahrenen Menschen. Zweiter Geschäftsleiter. Aufenthaltsgenehmigung garantiert. Wäre das was?«
    »Unendlich dankbar. Wäre nich jewesen nötig. Sternchen beißt sich durch. Und wer garantiert, daß der Führer nich marschiert mit seine SA-Massen auf Winterthur?«
    L.-L. lachte. »Vielleicht nicht«, meinte er. »Niemand weiß es. Ich bin sogar der Meinung, wir haben noch Zeit. Ein bißchen. Aber weiß man, wann die Zeit vorbei ist? Thomas Mann ist emigriert, und er ist kein Jude. Außerdem«, er sah Sternchen an, »hätte ich gerne einen Quartiermacher in der Schweiz. Man kann nie wissen. Abgemacht?«
    Als Andenken an Sternchen blieb uns sein Hanomag Kommißbrot. Der Wagen stand aufgebockt im Stall, in der Boxe, die einst Ali innegehabt hatte.
    Als nächster suchte Ede Kaiser uns heim. Der Meseritzer Breitarsch sagte: »Sie riechen nach Opfer.«
    Empört wendete Ede Kaiser sich nach ihr um: »Wer sind Sie denn?«
    Wir klärten Kaiser auf.
    »Was ist, kann ich sprechen?« fragte er. Wir garantierten es ihm. Mein Vater schickte Lydia nach draußen. Ich sah durchs Fenster, wie sie in ihrem Schlingergang über die Wiese trödelte und Dr. Eckener rief. Der Hund würde es gut haben, wenn das so weiterging.
    Ede Kaiser erzählte seine Geschichte, sie glich jener, die uns und unser

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