Das schwarze Blut
außerhalb der Gefahrenzone glaubte, sah er etwas Dunkles, Längliches im Gras liegen.
Einen Arm.
Es war ein abgetrennter Arm, den die Wucht des Aufpralls über zwanzig Meter weit geschleudert hatte.
Leute standen herum und starrten entsetzt darauf, doch niemand wagte ihn aufzuheben. Mark erschien der abgerissene Arm wie ein böses Omen: Er musste diese Ermittlung aufgeben – falls sie sich nicht ohnehin erübrigt hatte. Er spürte eine dumpfe Gefahr lauern. Schluss mit diesem Doppelspiel, sagte er sich. Er musste nach Paris zurück, so schnell wie möglich.
Im selben Moment wurde ihm klar, was ihm solche Angst machte: die noch vage Vorstellung, dass Jacques Reverdi nicht allein war. Dass er den perversen Anwalt zum Werkzeug seiner Rache außerhalb des Gefängnisses machen könnte. Was, wenn Reverdi den Betrug entdeckte? Wenn er seinen Bluthund auf ihn hetzte?
Ohne sich noch einmal umzudrehen, gab er Gas.
Abends um zehn war er wieder in seinem Hotelzimmer.
Der fensterlose Raum war so stickig, dass er nach Luft schnappte. Er drehte die Klimaanlage auf, die einen ohrenbetäubenden Lärm veranstaltete, und leerte seine Taschen aus. Noch immer hatte er den Geruch nach verbranntem Fleisch in der Nase. Er fühlte sich schmutzig, besudelt, durchtränkt von Tod und Staub.
Er legte seine Schlüssel auf den Nachttisch, daneben die Visitenkarten der Psychiaterin und der Insektenhändler, die er aufgesucht hatte. Schließlich kam noch eine ihm unbekannte Karte mit chinesischen Schriftzeichen zum Vorschein.
Er drehte sie um: Die Rückseite war lesbar. Es war die Karte von »MISTER RAYMOND«, die ihm draußen vor dem Hardrock-Café jemand in die Hand gedrückt hatte: »Mädchen aller Art« stand unter der Telefonnummer.
Warum nicht?
Um den Geschmack des Todes auszulöschen, brauchte es eine Schocktherapie.
Sie gefiel Mark auf Anhieb.
Klein und athletisch, erinnerte sie an eine kindliche Turnerin. Unter dem Kleid aus feinem schwarzem Musselin zeichneten sich ihre runden Oberschenkel und ihre spitzen Brüste ab. Sie strahlte eine sinnliche Energie, eine Begierde aus, die ihm den Atem verschlug und seinen Mund trocken werden ließ.
Anscheinend fühlte sie sich unbehaglich; sie setzte sich in den einzigen Sessel im Zimmer und versteckte sich hinter ihrer Mähne. Das Gesicht passte zu ihrem strammen Körper: ein wenig derbe, ländliche Gesichtszüge mit weit vorstehenden Wangenknochen, Katzenaugen. Die Schönheit eines Dolchs, dachte Mark. Quatsch, sagte er sich gleich darauf, das ist ein schlichtes Bauernmädchen, das sich zum Pin-up-girl aufgetakelt hat.
» Where do you come from? «
» Miam-Miam. «
» I’m sorry. I didn’t get the name. Where do you come from? « » Miam-Miam. «
Er brauchte eine Weile, bis er begriff, dass sie aus Myanmarstammte, wie Birma seit einigen Jahren offiziell hieß. Er zahlte im Voraus, und die Missverständnisse gingen weiter. Er stellte sich vor, wie er ihr das Kleid auszog, oder, noch besser, langsam über die Oberschenkel hinaufschob. Doch die Birmanin zog sich kurzerhand das Kleid über den Kopf, mit knappen, sachlichen Gesten, wie eine Schwimmerin vor dem Wettkampf den Trainingsanzug.
Sie deutete wortlos auf die Dusche. Mark lächelte und malte sich ihre Liebkosungen im Wasserdampf aus, stellte sich ihre lange Mähne auf seiner Brust vor. Sie aber setzte sich professionell eine Duschhaube auf und machte sich daran, seinen Schwengel zu schrubben, als kratzte sie Rost vom Grill.
Als sie ins Bett stiegen, setzte sich die Turnerin rittlings auf seinen Bauch und legte ihm die Hände auf die Brust. Endlich die Massage! … Mark schloss die Augen und wartete auf sanfte Finger, die ihn lustvoll walkten, auf eine flinke, zuckende Zunge, die seine Muskeln umkreiste, abwärts, immer weiter hinab, bis … Stattdessen bekam er zwei Fausthiebe in die Seiten, und als er erschrocken die Augen aufschlug, sah er sie in ihrer Handtasche kramen. Sie zückte ein Kondom und riss mit den Zähnen die Verpackung auf, wie bei einer eingeschweißten Spritze. Jede Geste war präzise, effizient – professionell eben.
Und Mark hatte auf eine heiße Kamasutra-Nummer gehofft. Was er bekam, war eine therapeutische Behandlung. Immerhin hatte er einige Minuten später seinen Orgasmus.
Kurz wie ein unzerkaut geschlucktes Reisbällchen. Dann stellte das Mädchen sich schlafend, um nicht Englisch reden zu müssen, was sie nicht konnte.
Mark stand leise auf und setzte sich an den Nachttisch. Er rückte die Lampe
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