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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Erzählstrang bildeten.
    Um zweiundzwanzig Uhr, nachdem er noch einmal in der Mailbox nachgesehen hatte, schloss er den Computer und löschte das Licht. Das Letzte, was er sah, war eine senkrechte Ameisenstraße auf der Wand.
    Der nächste Sinneseindruck war eine Hand, die ihn an der Schulter packte. Schlaftrunken dachte Mark an den Jungen unten am Empfang; er hatte aber nicht darum gebeten, geweckt zu werden. Er wandte den Kopf und erblickte eine Männerhand mit einer Kerze. Was über die fest geschlossenen Finger rann, war kein Wachs, sondern Honig. Entsetzt fuhr er zurück: Reverdi beugte sich über ihn. Hageres Gesicht, rasierter Schädel, nackter Oberkörper. Reverdi lächelte und murmelte leise: »Versteck dich, schnell, Papa kommt!«Mark fiel aus dem Bett.
Ein Albtraum.
Nur ein Albtraum.
Er blickte auf die Uhr. Dreiviertel fünf.
Er schaltete den Computer ein. Jetzt war die Nachricht da.
    Von: [email protected] Gesendet: 02.Juni 2003 4:10 An: [email protected] Betreff: KUALAMeine Liebste, du bist jetzt in Takua Pa. Ich nutze die Nachtwache in der Krankenstation (ich bin befördert worden), um dir die neuen Anweisungen zu schreiben.
Mach dich auf den Weg, sobald du diese Zeilen gelesen hast. Immer geradeaus nach Norden, bis Khuraburi, durch das du hindurchfährst. Am Ortsausgang findest du rechter Hand einen Reiseveranstalter, Jinda Tours nennt er sich. Er ist der einzige, der die Überfahrt mit dem Schiff zur Insel Koh Surin organisiert.
Kauf dir ein Tagesticket für Hin- und Rückfahrt. Keine Übernachtung auf der Insel. Kein Tauchkurs. Und noch etwas: Gib keinen falschen Namen an. Bemüh dich nicht um Diskretion. Halte dich an die Regel: Je weniger du dich versteckst, desto weniger fällst du auf. Sobald du auf der Insel bist, trennst du dich von der Gruppe und machst dich auf eigene Faust auf den Weg. Die Kammer der Reinheit ist nicht mehr weit. Es ist an dir, sie zu finden. Tritt ein und präge dir jede Einzelheit gut ein. Dann wirst du besser verstehen, was in diesem weltfernen Raum tatsächlich geschehen ist. Mein Herz ist bei dir.
    Jacques Mark schloss Aktenkoffer und Reisetasche und ging hinunter ins Erdgeschoss. Noch war es draußen stockfinster. Die Hotelhalle war menschenleer, der Nachtwächter döste imHalbdunkel vor sich hin. Geräuschlos verließ Mark das Hotel und ging zu seinem Auto.
Er machte sich davon wie ein Dieb.
Ein Dieb, der Geheimnisse stiehlt.
KAPITEL 55
    Zwei Stunden später tauchte im Morgenlicht Khuraburi auf. Die Stadt stand schon halb in der Mangrove. Unter den Mangrovenbäumen schienen die niedrigen Häuser auf das Wasser zuzugleiten. Am Ende der Hauptdurchfahrtsstraße fand Mark den Reiseveranstalter. Es war erst sieben Uhr morgens, doch schon jetzt wirkte alles wie von der Sonne zerkocht.
    Mark trug sich für die Abfahrt um acht Uhr ein. Gleich darauf wurde er zusammen mit anderen Touristen, die verschlafen und leicht desorientiert in kleinen Gruppen eintrafen, in einen Bus gesetzt.
    Seine Mitreisenden waren Schweden, Deutsche, Amerikaner und Thailänder. Zu seinem Glück entdeckte er nirgendwo einen Franzosen: Von einem neugierigen Landsmann über seine Pläne ausgefragt zu werden hätte ihm gerade noch gefehlt. Dabei hatte er das dumpfe Gefühl, dass ihm sein Geheimnis – weithin sichtbar wie ein auffälliges Muttermal – auf die Stirn geschrieben stand.
    Nach ein paar Kilometern waren sie an der Schiffsanlegestelle. Ein großes Speedboat, glatt und weiß, erwartete sie. Unter schwarzen Gewitterwolken gingen sie an Bord. Mark dachte an die Warnungen des Autoverleihers. Doch während das Boot immer tiefer in die mäandernden Sümpfe eindrang, kam nach und nach die Sonne zum Vorschein, und als sie das offene Meer erreichten, brannte sie hart und grell von einem wolkenlosen Himmel. Der Monsun war fürs Erste vertagt.
    Mark, der sich einen Platz am Heck gesucht hatte, dachte über das Postskriptum nach, das Reverdi seiner Nachricht angehängt hatte. Es kam ihm wie ein zusätzlicher Tipp vor:
Lise, meine Liebste, wenn du im Wald unterwegs bist und nach der Kammer der Reinheit suchst, denk immer daran, deine Umgebung genau zu beobachten, lass dir kein einziges Detail entgehen. Sobald du dich der Kammer näherst, erwartet dich ein weiteres Zeichen. Etwas Entscheidendes, ohne das nichts möglich wäre … Erinnere dich an die »Wegmarken, die schwirren und schwärmen«. Dort im Dschungel gilt es noch eine weitere Bewegung zu erfassen. Ein Atmen, ein Beben, das die unmittelbare Nähe

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