Das schwarze Blut
beiden Händen ihre nackten Brüste, auf denen je ein phosphoreszierendes Herz prangte.
Mark ging mit seinem Gepäck die Straße entlang und fühlte sich sehr fehl am Platz. Stundenlang war er gefahren und hatte trotz des seit sechs Uhr abends niedergehenden Regens und trotz der Dunkelheit seinen Durchschnitt gehalten. Um zweiundzwanzig Uhr, als er aufs Geratewohl auf einer schlecht beleuchteten Straße über die Insel fuhr, war er auf ein regelrechtes Feuerwerk von Neonlichtern gestoßen: Patang, das schärfste Viertel von Phuket. Er hatte nicht widerstehen können, hatte seinen Suzuki auf einem bewachten Parkplatz abgestellt und sich ins Getümmel gestürzt. Auf der Suche nach einem Hotel. Und nach einem Nervenkitzel.
Eine dumpfe Ahnung sagte ihm, dass auch Reverdi sich hier herumgetrieben hatte.
Essensgerüche wehten ihn an: Knoblauch, Zwiebeln, Cayennepfeffer, Koriander … Gelüste unterschiedlichster Art regten sich in ihm. Zart und golden, erinnerten ihn die Mädchen selbst an kleine Karamellbonbons. Trotz der schweren Taschen, trotz seiner Müdigkeit wuchs seine Erektion: Die jungen Thailänderinnen übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf ihn aus. Nicht wegen ihrer aufreizenden Kleidung noch wegen ihres Vamp-Gehabes, sondern weil sie sich im Gegenteil, was immer sie taten, einen Anflug von Unschuld bewahrten, einen kleinen Rest an Reinheit, der noch nicht entwürdigt war. Katzenschnäuzchen, scheue Landmädchen, deren hohe Wangenknochen alle Schminke und verführerische Aufmachung ausstachen. Gerade diesen Rest an Ursprünglichkeit fand er so erregend.
Er beobachtete auch die Touristen. Die Jungen, die mit Bierdosen in der Hand in Gruppen unterwegs waren und ihre Verlegenheit hinter spöttischem Gelächter verbargen; die alten Einzelgänger, die hier wie Haie in friedlichen Gewässern kreuzten; die übernächtigten Rucksacktouristen, die nur einen blasierten Blick auf das ganze Spektakel warfen. Doch auf dem Grund sämtlicher Augen lauerte immer dieselbe blanke Begierde, derselbe rohe und niedrige Appetit, auf frischer Tat ertappt … Mark interessierte sich mehr für eine andere Kategorie: die Ausländerinnen. Die perplexen Gattinnen, die sich mit sichtlichem Unbehagen am Arm des Ehemannes festhielten, und die jungen Mädchen mit Rucksäcken auf der Suche nach einer billigen Unterkunft, die mit zorniger Miene ostentativ ihre Empörung über den »Sklavenmarkt« kundtaten. Sie alle wirkten irgendwie verloren. Ratlos. Eingeklemmt zwischen einem männlichen Begehren, das sie nie so unverhohlen erlebt hatten wie hier, das aber nicht ihnen galt, und dem Hass der thailändischen Huren, die es nicht leiden konnten, dass sie hierher kamen und gafften wie die Männer.
Mark dachte an Linda Kreutz, an Pernille Mosensen, auch an die beiden mutmaßlichen Opfer Reverdis in Thailand. Seine Überzeugung verfestigte sich: Der Räuber hatte hier gejagt. Dieses Viertel war ein anderer Wald, sehr viel verrückter und undurchdringlicher als das Dickicht von Cameron Highlands und Angkor.
Mark malte sich aus, wie der Mörder seine jungen Gefährtinnen beruhigte und tröstete, während er sie aus dieser Hölle fort und in Sicherheit brachte und ihnen in resigniertem Ton erklärte: »Asien ist eben so.« Und schon waren sie verführt, hypnotisiert von seiner tiefen, beschwichtigenden Stimme … Mark beschleunigte seinen Schritt, hielt Ausschau nach einem Hotel.
Zum Rapport.
Um nicht auf der Stelle einzuschlafen, vermied er es, sich aufs Bett zu legen, und zwang sich, an Reverdi zu schreiben: Elisabeth hatte das Wort. In einem Fluss, ohne das geringste Zögern erzählte sie von ihrer Fahrt nach Koh Surin, beschrieb, was sie entdeckt hatte. Am Ende hatte Mark gerade noch die Kraft, das Modemkabel in die Telefonbuchse zu stecken und die Mail abzuschicken. Kaum hatte er sich ausgestreckt, schlief er auch schon.
Als sein Messer wieder auf einen Knochen traf, fuhr er auf. Rosafarbene und hellblaue Lichtblitze zuckten durch sein Zimmer, Wände und Fußboden bebten von der stampfenden Musik. Sein Blick fiel auf seine Hand, die noch eine imaginäre Waffe umklammert hielt. Zwei Uhr morgens. Er hatte kaum drei Stunden geschlafen. Und – natürlich – von Mord geträumt. Von honigverkrusteten Wunden. Von blitzenden Klingen, die in lebendiges Fleisch eindrangen. Das Verbrechen ließ ihn nicht mehr los. War es nicht das, was er gehofft hatte?
Er wankte ins Bad und flüchtete sich unter die Dusche. Trotz kochend heißer Rohre blieb
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