Das schwarze Blut
einfach ein Gläubiger.
Voller Andacht vor den eigenen Dämonen.
Mark stand vom Klo auf und stellte sich noch einmal unter die Dusche. Mit geschlossenen Augen stand er lange unter dem lauwarmen Strahl und ließ sich die letzten Reste seines Wahns von Körper und Geist abwaschen. Dass es eine Mordszene war, die seine erste Erektion verursacht hatte, vor seiner lächerlichen Expedition, vergaß er nicht. Natürlich hatte er kein Mordopfer gesucht – er wollte nur vögeln. Aber der Wahnsinn, der totale Kontrollverlust, war derselbe … Wie weit war er noch von der »schwarzen Linie« entfernt? Wie viele Schritte musste er noch tun, ehe er sie überschritt?
Er trat aus der Dusche und fasste einen Entschluss. Er musste schleunigst fort aus Asien, sonst verlor er noch den Verstand. Er musste mit Reverdi abschließen. Sein letztes Geheimnis aufdecken und den Fall beenden, bevor es zu spät war. Nach Paris zurückkehren. Sein Buch schreiben. Den Albtraum vergessen und sich dem Erfolg in die Arme werfen.
Aus einem Impuls heraus griff er zu seinem Mobiltelefon und tippte Vincents Nummer ein. Um die Stimme eines Freunds zu hören – eine reale, »normale« Stimme. Es kam keine Antwort. In Paris war es zwei Uhr morgens. Der Koloss schlief, oder er war noch gar nicht nach Hause gekommen.
Aus einem anderen, unerklärlichen Einfall heraus suchte er daraufhin in seiner Reisetasche nach Khadidschas Foto, das er mitgenommen hatte, um sich gegebenenfalls in Stimmung zu bringen, sollte ihn die Inspiration im Stich lassen. Mit Tränen der Rührung bestaunte er dieses wunderbare Gesicht, diesen merkwürdigen Blick, der ihn immer an eine musikalische Dissonanz erinnert hatte, – und schlief gleich drauf ein. Das Foto lag noch auf seiner Brust.
KAPITEL 60
Zehn Uhr vormittags unter stechender Sonne.
Die Arme an den Rumpf gepresst, lag Jacques Reverdi auf einer Trennmauer zwischen zwei Duschkabinen und wartete. Raman würde sich nicht wehren können. Trotz der frühen Stunde, trotz der Risiken …Sein derzeitiger Favorit war ein Indonesier namens Kode, ein sechzehn- oder siebzehnjähriger Knabe: Er war zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden, nachdem er seiner Mutter die Gurgel durchgeschnitten hatte. Allabendlich gegen achtzehn Uhr, wenn die anderen Häftlinge in ihre Zellen zurückkehrten, traf sich der Sicherheitschef hier mit ihm.
Reverdi lächelte.
Diesmal würde die Sache anders laufen.
Wie ein mächtiger grell weißer Schwall brandete dasgleißende Licht gegen die nicht überdachten Kabinen und prallte als stechendes Flirren von den Kacheln wieder ab. Jede Mauer, jeder Winkel vibrierte unter der Helligkeit wie die Reflektoren in einem Fotostudio. Jacques vermied es, die Augen zu schließen, um dann, wenn es darauf ankam, nicht geblendet zu sein und womöglich das Gleichgewicht zu verlieren.
Reglos verharrte er auf der Mauer, Bauch und Gesicht an die Steine gedrückt, und atmete den Zementgeruch ein. Obwohl er nichts als Shorts trug, nahm er das Brennen der Sonne nicht mehr wahr. In diesem Stadium war er selbst ein Backofen – eine weißglühende, bis in alle Fasern durchgegarte Materie, die mit jeder Bewegung feurige Schwaden ausstieß.
Als die Verspannungen unerträglich wurden, ging er im Geist seinen Plan durch, und sein gesamter Organismus stimmte sich wie selbstverständlich darauf ein. Seine versteinerten Gliedmaßen passten sich an und schoben sich in das Projekt wie Patronen in den Gewehrlauf.
Raman würde sich nicht wehren können.
Reverdi hatte sich Kode vorgeknöpft und ihn angewiesen,Raman nach dem Frühstück anzumachen und in die Duschen zu locken – in ebendiese Kabine. Der Wärter wäre zwar misstrauisch, doch Reverdi konnte sich auf die Unwiderstehlichkeit der kleinen Schwuchtel verlassen: Innerhalb weniger Wochen hatte er sämtliche Tunten von Block D in den Schatten gestellt.
Jacques kannte Ramans Manien. So pflegte er sich bis auf seine Schuhe mit Kreppgummisohlen vollständig zu entkleiden und seine Knaben vor der Penetration mit dem Elektroschocker zu traktieren: Zweck der Übung war die maximale Kontraktion der Hinterbacken, damit er im Moment des Eindringens das Gefühl einer Entjungferung haben konnte. Auf diese Weise riss er ihnen den After auf, genoss es, wenn das Blut floss und ihm als Gleitmittel diente, und streichelte ihre geladene, immer noch elektrisierte Haut …Reverdi schloss beide Hände um seine klingenbestückte Zahnbürste. Er hatte Rosshaarhandschuhe mitgebracht, weil Raman
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