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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Jacques Reverdi, der sich an ihm festklammerte, während die Männer ihn an den Armen packten. Er spürte Reverdis Finger auf seiner blutigen Haut. Er sah seine Lippen sich öffnen, sah ihn stumme Gebete hervorstoßen. Er dachte an die markerschütternden Schreie eines Vaters, dem der Sohn entrissen wird.
Das war das letzte Bild, bevor ihm die Sinne schwanden.
KAPITEL 86
    Ein weißes Zimmer.
Doch das Zimmer ist zugleich der Innenraum ihres Schädels. Ein weißes Licht.
Doch das Licht ist zugleich das Gewebe ihrer Lider. Blitzlichter. Sternschnuppen. Phosphorstreifen, die durch ihrBewusstsein schießen. Grelle Explosionen zerreißen die Finsternis. Sie schreit. Bei jedem Schrei ertönt ein zweiter Schrei. Der Doppelgänger des ersten. Ein Schrei im Schrei. Es schreit ihre Haut, die zum Zerreißen gespannt ist. Es schreien ihre Lippen, die brennen wie Feuer. Und ihre Kehle, die zerbirst.
    Der Traum beginnt von vorn. Stahlzangen brechen ihren Schädel auf. Behandschuhte Finger tauchen hinein und nehmen ihr Gehirn heraus. Sie zwinkert. Unerklärlicherweise kann sie die Operation plötzlich von oben herab betrachten. Sie sieht, wie die Hände ihr Gehirn forttragen. Es erscheint ihr bräunlichviolett und schweißfeucht.
    Die Ärzte legen das Gehirn in ein stählernes Gefäß. Dort liegt es und sieht aus wie ein lebendiges, zuckendes Ei. Zusammengerolltes schwarzes Fleisch. Jetzt begreift sie. Eine große Gefahr droht. Khadidscha will schreien und die Chirurgen warnen: Dieses Wesen ist ein Krake! Ihr Gehirn ist ein Geschöpf, das ihnen gleich ins Gesicht springen wird. Sie will schreien, merkt aber, dass es nicht geht: Ihre Lippen sind mit Heftklammern verschlossen.
    »Khadidscha?«
Ein Gesicht beugt sich über sie.
    Ein kleiner grauer Mensch, der zwischen zwei Gewässern schwebt.
    Er ist kahl: Sie hat ihn schon einmal irgendwo gesehen. Er ist in ihrem Traum aufgetaucht. Jetzt sieht sie seine Stirn aus der Nähe: grau und gefurcht. Ein Bimsstein. Sie murmelt:
    »Mark?«
Augenblicklich fährt ein Messer durch ihre Lippen. Der Mann lächelt. Sie hat »Ork« gesagt. Ein heiserer Laut.
»Das liegt an den Nähten. Sprechen Sie lieber nicht.«Sie schließt die Augen. Eine Erinnerung kehrt zurück. Eisenteile in ihrem Fleisch. Ein Efeu aus Stahl, der ihre Lippen einschnürt. Reverdi und die riesigen Wabenzellen …Noch einmal öffnet sie die Lider und wagt einen neuen Versuch: »Mork?«
»Er ist auf der Intensivstation. Die Ärzte haben ein wahres Wunder vollbracht.«
Wieder fallen ihr die Augen zu. »Mork …« Sie will nur noch Dunkelheit, nur noch Ruhe. Aber ihr Mund brennt wie Feuer. Stacheldraht umgibt jede Silbe, die sie spricht.
Plötzlich begreift sie, dass sie entstellt ist.
Sie verliert das Bewusstsein.
    Tage, Nächte vergehen.
    Albträume und Trugbilder wechseln sich ab. Die Gehirndiebe. »Es ist ein Krake!« Reverdi im Taucheranzug, ein Messer in der Hand. Wie ein brennendes Wachstuch, das sie einhüllt und verzehrt, legt das Fieber sich über sie. Sie brennt, sie trieft vor Schweiß, sie verdampft unter ihrer Decke.
    Und der Schmerz.
    Er peitscht durch ihren Körper wie ein lebendiges Wesen, schlägt je nach Tages- und Nachtzeit an immer anderer Stelle zu. Ein jähzorniges, unbezwingbares Geschöpf, das in ihrem Körper gefangen ist und durch die frisch vernarbten Wunden zu fliehen sucht.
    Um in ihrer Kehle zu explodieren.
Ein grausamer Biss, ein mit scharfen Zähnen bestückter unsichtbarer Kiefer, der ihr die Lippen abreißt.
    Wieder eine Krise.
Diesmal hat sie sich besser im Griff.
Ihr Klinikzimmer ist weiß und weitgehend leer. Die Wände einangegrautes Weiß, das Bettgestänge ein silbriges Weiß, die Fenster hinter den Gardinen ein gestreiftes Weiß.
    Der graue Bimssteinmensch steht vor ihr. Sein Lächeln ist echter, weniger ironisch. Seine Gegenwart erzielt dieselbe Wirkung wie der allgegenwärtige Geruch nach Medizin: verbreitet eine tröstliche, aber auch mit Trauer und Unruhe gemischte Atmosphäre.
    »In ein paar Tagen ziehen wir Ihnen die Fäden.«Khadidscha kann nicht antworten, kann nicht einmal reagieren. Sie ist entstellt, und sie weiß es. Der Arzt greift behutsam nach ihrer Hand und hält sie fest.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, das wird wunderbar verheilen. Am Ende bleiben wahrscheinlich nicht einmal Narben zurück. Der Arzt, der Sie operiert hat, ist ein Genie. Einer der besten plastischen Chirurgen an der Salpêtrière. Er hat ein wahres Meisterwerk vollbracht.«Sie starrt ihn an. jeder Lidschlag

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