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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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anderen.
Beinahe ungläubig dachte er an seine goldenen Zeiten zurück, in denen Einkünfte von hunderttausend Francs ein »magerer« Monat gewesen waren. Was hatte er mit der ganzen Kohle gemacht? Sein Atelier war alles, was er noch besaß. War er bereit, es für diese Reise zu opfern? Nein. Nicht weil er so sehr daran hing, sondern weil es viel zu viel Zeit gekostet hätte, wenn er es jetzt zum Verkauf anbot. Und abgesehen davon, konnte er sich nicht vorstellen umzuziehen. Dieses Atelier war seine Höhle, sein Refugium, voll gestopft mit seinen Büchern und seinen Aufzeichnungen. Eine Erweiterung seines Gehirns.
Er ging zu Bett, seine vom Widerschein der Laterne im Hof beleuchtete Bibliothek im Blick. Gleich am nächsten Morgen, nahm er sich vor, würde er, sobald die Bank aufmachte, einen Kredit beantragen.
Nach etlichen Morgenkaffees nahm er die Unterredung mit der Bank in Angriff- und war sich seiner Sache so sicher, dass er sich erst gar nicht die Mühe machte, aus dem Haus zu gehen, sondern sich mit einem Anruf begnügte.
»Was mir nicht ganz klar ist«, fragte der Bankberater nach längerem Schweigen, »soll das eine Dienstreise werden?«
»Selbstverständlich.«
»Wieso bitten Sie dann nicht Ihre Zeitung um einen Vorschuss?«
»Das wird ein Scoop. Die Rechte daran will ich selbst behalten. Glauben Sie mir: Damit ist sehr viel Geld zu machen.«
Er spürte die Skepsis des Bankberaters. Er wechselte die Taktik und erinnerte an seine Spitzenzeit, als er sechsstellige Summen auf sein Konto eingezahlt hatte – er sei schließlich nicht immer ein schwieriger Kunde gewesen.
»Eben«, unterbrach ihn der Banker. »Wir unterstützen vor allem die Kunden, die den umgekehrten Weg gehen. Schwierige Kunden, die ›leichter‹ werden. Sie verstehen, was ich meine, nicht wahr?«
»Ich versichere Ihnen, dass es sich um eine exzellente Investition handelt. Mit dieser Reportage knüpfe ich wieder an meine fetten Jahre an.«
»Gut, knüpfen Sie. Dann sehen wir weiter.«
Mark musste sich beherrschen, um den Bankmenschen nicht zu beleidigen, und legte auf. Es war nicht der rechte Augenblick, um die Bank zu wechseln, und angesichts seines knappen Zeitplans konnte er sich keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand leisten.
Die Alternative war der Limier. Auch hier kannte er die Antwort. Verghens rückte nie einen Euro heraus, wenn er nicht wusste, dass er wieder hereinkam – und wofür er verwendet wurde.
»Wozu brauchst du die Kohle?«, fragte er, noch ehe Mark ausgeredet hatte.
»Für einen tollen Coup.«
»Schon klar. Aber um was geht es genau?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Jedenfalls jetzt noch nicht.«
»Wird es ein Scoop?«
»Genau.«
»Keine Infos, keine Kohle.«
»Das hab ich mir schon gedacht. Ich ruf dich an, wenn ich wieder da bin.«
Sie verhandelten über seine Freistellung. Verghens war dagegen, doch weil er Mark noch zahlreiche Urlaubstage schuldete, ließ er sich schließlich breitschlagen und gab ihm drei Wochen frei.
Es blieb also nur eine Lösung: Vincent. Der Gedanke, seinen ehemaligen Partner anpumpen zu müssen, dem er alles beigebracht hatte, stieß ihm sauer auf. Wie hatte er so tief sinken können, bei seinem einstigen Schüler zu betteln? … Zur Beschwichtigung sagte er sich, er führe einen Kreuzzug. Er war ein Krieger. Ein Missionar. Und Missionare sind immer mittellos. Die materielle Armut ist sogar ein Zeichen ihrer Überlegenheit.
Als er gegen Mittag die Tür zum Fotostudio in der Rue Bonaparte öffnete, fühlte er sich mental noch über jede Verlegenheit, jede Scham erhaben. Doch als es zur Sache ging, war ihm allen guten Vorsätzen zum Trotz vor Demütigung die Kehle zugeschnürt. Vincent kam ihm zu Hilfe.
»Wie viel?«, fragte er.
Aus einem spontanen Groll heraus verdoppelte Mark die Summe, um die er ursprünglich hatte bitten wollen:
»Zehntausend Euro.«
Vincent durchquerte seinen großen Bunker und öffnete die schwarze Tür zum Entwicklungslabor. Dort hatte er, wie Mark wusste, einen Tresor: für wertvolles Material, aber auch für das Geld, das ihm die jungen Models bar überreichten.
»Fünftausend«, sagte er, als er zurückkam, und legte ein Bündel Geldscheine auf den Leuchttisch. »Mehr hab ich nicht hier. Für den Rest kriegst du einen Scheck.«
Mark nickte, den Blick unverwandt auf das Geld geheftet. Er hätte sich irgendwie bedanken sollen, doch sein Hals war wie zugeschnürt, und er brachte keinen Ton heraus. Als er den Scheck entgegennahm, stieß er nur hervor:
»Du kriegst es

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