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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Bremen. Telefonanschlüsse in Internetcafés. Und bald auch in irgendwelchen Hotels in Asien. Nicht ein einziges Element, das eine Spur zu Mark Dupeyrat legte.
    Er hatte buchstäblich zu existieren aufgehört.
Wovor fürchtete er sich eigentlich? Dass Reverdi ihm auf dieSchliche kam? Wie sollte er denn vom Gefängnis aus Nachforschungen anstellen? Dass er aus Kanara Mails verschickte, grenzte ohnehin an ein Wunder. Vor seinem Anwalt? Nein, dieser »Wong-Fat« hatte keine Ahnung, was da lief, er war nur ein Werkzeug, ein Satellit in der Galaxie Reverdi.
    Nein, etwas anderes machte ihm Angst: Er war sicher, dass der Taucher und Mörder paranormale Fähigkeiten besaß. Ein zweites Gesicht. Die Gabe, allgegenwärtig zu sein. Ja, er unterstellte ihm sogar die Fähigkeit, aus dem Gefängnis zu entkommen oder in elektronische Netze einzudringen …Um achtzehn Uhr schlüpfte Mark im letzten Moment durch die Tür eines Reisebüros in der Rue Blanche, das gerade schließen wollte. Er erkundigte sich nach den Preisen für die Flüge, die ihn interessierten, und nach den bürokratischen Hürden, mit denen er rechnen musste. Von den drei Ländern, die er anvisierte, verlangte nur Kambodscha ein Visum – und das bekam man an Ort und Stelle, am Flughafen. Er fragte auch nach SARS: Da könne er unbesorgt sein, versicherte man ihm, anscheinend sei die Krankheit unter Kontrolle, zumindest in Südostasien. Mark dankte dem Mädchen, das ihm die Auskünfte erteilt hatte, und versprach wiederzukommen, sobald er das genaue Abreisedatum wisse.
    Am Abend packte Mark virtuell seine Reisetasche und stellte eine Liste mit dem Nötigsten zusammen. Eine kleine Digitalkamera, fand er, würde ihm gute Dienste leisten. Dann konnte er überall, wohin Reverdi ihn schickte, Aufnahmen machen und eine umfassende Dokumentation der Locations zusammenstellen, und wer weiß, vielleicht führte ihn der Mörder ja zu seinen Tatorten …Bei dem Gedanken überlief ihn wieder ein Schauder. War er sich tatsächlich im Klaren darüber, was er da vorhatte? Wie wollte er je die Informationen verwerten, die er sich auf derart krumme Weise erschlichen hatte? Dabei war er keineswegs sicher, ob er sie überhaupt auswerten würde. Was er plante, tat er erst einmal nur für sich. Vielleicht würde sein Scoop nie bekannt werden, und das spielte auch gar keine Rolle, denn das Entscheidende war für ihn etwas ganz anderes: das Eintauchen in das Gehirn des Mörders. Er würde das Böse sehen, ihm direkt in die Augen blicken.
    Und vielleicht endlich begreifen.
    Um dreiundzwanzig Uhr streckte ihn die Müdigkeit nieder wie ein Keulenschlag. Ohne einen Bissen gegessen zu haben, ließ er sich auf seine Matratze fallen.
    Doch ein paar Stunden später fand er noch immer keinen Schlaf, sondern starrte in der Dunkelheit auf das helle Viereck der Landkarte von Südostasien, die neben seinem Bett ausgebreitet auf dem Boden lag. Seine ganze Euphorie und Aufregung waren dahin. Geblieben war die Furcht, die sich immer härter, immer schmerzhafter in seiner Brust zusammenballte. » In Südostasien, zwischen dem Wendekreis des Krebses und dem Äquator, verläuft noch eine dritte Linie … «Es war ein Spiel.
Aber vor allem eine Gefahr.
KAPITEL 30
    »Er war in exzellentem Zustand, als sie ihn aus dem Grab geholt haben: völlig intakt.«
»Keinerlei Zersetzungserscheinungen?«
»Keine. Ganz und gar unversehrt, sag ich euch! ›Unverweslichkeit‹ nennt man dieses seltene Phänomen.«
Khadidscha war verunsichert. Sie war, nachdem Vincent sie zu diesem Abendessen bei sich zu Hause eingeladen hatte, auf eine Versammlung von Redakteurinnen und schwulen Modedesignern, auf endloses, lautes, leeres Geschwätz gefasst gewesen. Zu ihrer Überraschung waren ausschließlich Reporter und Fotografen anwesend.
»Es war unglaublich«, fuhr der Erzähler fort. »Als hätten sie ihn tags zuvor eingegraben.« Er lachte. »Die Italiener haben schon an ein Wunder geglaubt!«
So weit Khadidscha mitbekommen hatte, ging es um eine Reportage über Wunder in Italien, und der Journalist hatte zufällig miterlebt, wie der selige Papst Johannes XXIII. zum Zweck der Heiligsprechung exhumiert wurde. Dabei hatte sich gezeigt, dass die Leiche des in den sechziger Jahren verstorbenen künftigen Heiligen achtunddreißig Jahre nach seinem Tod vollkommen unversehrt erhalten geblieben war.
Der Reporter, ein ausgemergelter Typ im Seemannspullover, kannte kein anderes Thema mehr. Mit seinem tadellos gekämmten Haar und dem weißen

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