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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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hat. »Irma-Irma-Irma-Irma…«
    »Aufhören!« Sie will den Namen nun doch nicht mehr hören. Sie hat sich getäuscht. Aus dieser fremden Kehle klingt der Name ihrer Tochter abscheulich, unerträglich. Sie will sich die Ohren mit den Händen zuhalten, aber das schafft sie nicht. Die Hände sind ihr zu schwer. Sie haben sich zu dem Herd und dem Kühlschrank (diesem elenden, halb kaputten Ding) in Colorado Springs gesellt. Sie kann nur noch in diese glitzernden schwarzen Augen starren.
    Die Rabenkrähe plustert sich für sie auf, spreizt ihr satinschwarzes Gefieder. Dabei läuft ihr ein abscheuliches kleines Rascheln über den Rücken hinauf und hinunter, und Tansy denkt: Ah, du prophezeist ohn Zweifel, Höllenbrut! Ob Tier, ob Teufel …
    Gewissheit füllt ihr Herz wie Eiswasser. »Was weißt du?«, fragt sie. »Warum bist du gekommen?«
    »Weiß!«, krächzt Gorg und nickt lebhaft. »Komm!«
    Und blinzelt dabei? Großer Gott, blinzelt er mir zu?
    »Wer hat sie umgebracht?«, flüstert Tansy Freneau. »Wer hat meine hübsche Kleine umgebracht?«
    Die Augen der Rabenkrähe fixieren sie, verwandeln sie in einen auf einer Nadel aufgespießten Käfer. Langsam, mehr denn je scheinbar in einem Traum gefangen (aber das alles hier passiert wirklich, das ist ihr auf irgendeiner Bewusstseinebene völlig klar), nähert sie sich dem Tisch. Die Rabenkrähe beobachtet sie weiter, die Krähe fixiert sie unverwandt. Plutos nächtige Sphäre, denkt Tansy. Plutos nächtige Scheißsphäre.
    »Wer? Sag mir, was du weißt!«
    Die Rabenkrähe sieht mit blanken schwarzen Augen zu ihr auf. Ihr Schnabel öffnet und schließt sich, gibt winzige Blicke auf sein feuchtes rotes Inneres frei.

    »Tansy!«, krächzt sie. »Komm!«
    Ihre Beine werden kraftlos; Tansy fällt auf die Knie und beißt sich dabei auf die Zunge, dass sie blutet. Scharlachrote Tropfen bespritzen ihr Sweatshirt mit dem Wappen der University of Wisconsin. Jetzt befindet ihr Gesicht sich auf gleicher Höhe mit dem Gesicht des Vogels. Sie kann deutlich sehen, wie einer seiner Flügel mit einer sinnlichen Auf- und Abbewegung über die gläserne Seite der Flasche mit Kaffeebrandy streift. Der Geruch Gorgs ist der von Staub und aufgehäuften toten Fliegen und vergrabenen Urnen mit steinalten Gewürzen. Seine Augen gleichen leuchtenden schwarzen Höhlen, hinter denen irgendeine andere Welt zu liegen scheint. Vielleicht die Hölle. Oder Sheol.
    »Wer?«, flüstert sie.
    Gorg reckt seinen schwarzen raschelnden Nacken, bis die Spitze des schwarzen Schnabels tatsächlich in ihrer Ohrmuschel steckt. Er beginnt zu wispern, und nach einiger Zeit beginnt Tansy Freneau zu nicken. Das Licht der Vernunft ist aus ihren Augen gewichen. Und wann wird es zurückkehren? Oh, ich glaube, wir alle kennen die Antwort auf diese Frage.
    Vielleicht »Nimmermehr«?

16
    18.45 Uhr. French Landing ist nebelverhangen, abgerackert und zutiefst beunruhigt, aber still. Diese Stille wird nicht lange anhalten. Haben die Verwerfungen erst einmal begonnen, kommen sie nie lange zum Stillstand.
    Im Maxton ist Chipper länger als sonst im Büro geblieben, und wenn man den nicht überhasteten (und wirklich ziemlich sensationellen) Blow Job bedenkt, den Rebecca Vilas ihm verpasst, während er zurückgelehnt in seinem Chefsessel liegt, ist sein Entschluss, eine kleine Überstunde zu machen, gar nicht so erstaunlich.
    Im Gemeinschaftsraum sitzen die alten Leute von Julie Andrews und Meine Lieder, meine Träume verzaubert da. Alice Weathers weint tatsächlich vor Glück – das ist ihr absoluter Lieblingsfilm. Singin’ in the Rain kommt ihm nahe, aber für nahe gibt’s keinen Siegespreis. Von den Insassen, die noch gehfähig sind, fehlt nur Burny … den hier allerdings keiner vermisst. Burny liegt in tiefem Schlaf. Der Geist, der ihn jetzt beherrscht – der Dämon, könnten wir genauso gut sagen -, verfolgt in French Landing eigene Absichten, und er hat Burny in den letzten Wochen hart rangenommen (nicht dass Burny sich darüber beschwert hätte; er ist ein höchst bereitwilliger Komplize).
    In der Norway Valley Road lenkt Jack Sawyer eben seinen Dodge in Henry Leydens Einfahrt. Hier draußen ist der Nebel dünner, aber er reicht trotzdem aus, um die Scheinwerfer des Pickups mit sanften Strahlenkränzen zu umgeben. Heute
Abend wird Jack in Bleak House mit Kapitel sieben (»Der Geisterweg«) fortfahren und hoffentlich das Ende von Kapitel acht (»Deckt eine Menge Sünden zu«) erreichen. Aber bevor er mit Dickens

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