Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
herzufahren und mit seiner Frau zu reden, Mr. Green hingegen das Versprechen abgenommen, nicht herzukommen.«
»Das mag im Prinzip stimmen«, sagt Green. »Aber als erfahrener Journalist weiß ich, dass die Leute oft Dinge sagen, die sie nicht so meinen, die sie später sogar bedauern. Fred Marshall ist sich darüber im Klaren, dass die Story seiner Frau früher oder später rauskommen muss.«
»Tatsächlich?«
»Vor allem angesichts der letzten Mitteilung des Fishermans«, sagt Green. »Die bewusste Kassette beweist, dass Tyler Marshall sein viertes Opfer ist – und dass er wie durch ein Wunder noch lebt. Wie lange, glauben Sie, lässt sich das vor der Öffentlichkeit geheim halten? Und würden Sie mir nicht zustimmen, dass die Mutter des Jungen Gelegenheit erhalten sollte, die Situation mit eigenen Worten zu schildern?«
»Ich bin nicht bereit, mich so unter Druck setzen zu lassen.« Der Arzt mustert Green verdrießlich und wirft Jack einen warnenden Blick zu. »Mr. Green, ich bin kurz davor, Sie aus diesem Krankenhaus zu weisen. Mit Lieutenant Sawyer möchte ich ein paar Dinge unter vier Augen besprechen. Können der Lieutenant und Sie zu irgendeiner Vereinbarung gelangen, ist das Ihre Sache. Aber eine gemeinsame Befragung meiner Patientin gestatte ich bestimmt nicht. Ich weiß nicht einmal sicher, ob sie überhaupt mit Lieutenant Sawyer sprechen sollte. Sie ist zwar schon ruhiger als heute Morgen, aber weiterhin sehr wenig belastbar.«
»Das Problem dieser Frau lässt sich am besten bewältigen, indem sie es selbst ausdrückt«, sagt Green.
»Sie halten bitte sofort den Mund , Mr. Green«, sagt Dr. Spiegleman. Die Falten der Doppelkinne unter seinem Spitzbart haben sich zu einem warmen Rosa verfärbt. Er funkelt Jack an. »Was wünschen Sie speziell, Lieutenant?«
»Haben Sie hier im Krankenhaus ein Büro, Doktor?«
»Ja.«
»Im Idealfall möchte ich mit Mrs. Marshall ungefähr eine halbe Stunde lang, vielleicht sogar weniger, in einer sicheren, ruhigen Umgebung sprechen, in der unser Gespräch völlig vertraulich ist. Dafür wäre Ihr Büro vermutlich am besten geeignet. Auf der Station sind zu viele Leute, man kann dort kein Gespräch führen, ohne von anderen Patienten unterbrochen oder belauscht zu werden.«
»Mein Büro also«, sagt Spiegleman.
»Natürlich nur, wenn Sie einverstanden sind.«
»Kommen Sie mit«, sagt der Arzt. »Mr. Green, Sie bleiben bitte hier an der Theke, während ich mit Lieutenant Sawyer eine kurze Unterredung führe.«
»Wie Sie meinen.« Green macht eine spöttische Verbeugung und tritt leichtfüßig, mit einer Andeutung von Tanzschritten, an die Theke. »In Ihrer Abwesenheit finden dieser gut aussehende junge Mann und ich bestimmt etwas, worüber wir uns unterhalten können.«
Wendell Green stemmt lächelnd die Ellbogen auf die Theke und beobachtet, wie Jack und Dr. Spiegleman den Raum verlassen. Ihre Schritte klappern auf den Bodenfliesen, bis sie über die Hälfte des Korridors zurückgelegt zu haben scheinen. Dann ist nichts mehr zu hören. Wendell dreht sich, noch immer lächelnd, um und stellt fest, dass der Wärter ihn ungeniert anstarrt.
»Ich lese Sie dauernd«, sagt der Junge. »Sie schreiben echt gut.«
Jetzt lächelt Wendell geradezu selig. »Gut aussehend und intelligent. Was für eine umwerfende Kombination. Wollen Sie mir nicht Ihren Namen verraten?«
»Evans, Ethan Evans.«
»Ethan, wir wollen keine Zeit vergeuden, also halten wir uns ran. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass verantwortungsbewusste Journalisten Zugang zu Informationen haben sollten, die der Öffentlichkeit zustehen?«
»Unbedingt.«
»Und würden Sie mir nicht zustimmen, dass eine informierte Presse zu unseren besten Waffen gegen Ungeheuer wie den Fisherman gehört?«
Zwischen Ethan Evans’ Augenbrauen entsteht eine einzelne senkrechte Falte. »Waffen?«
»Ich will’s mal so ausdrücken: Trifft es nicht zu, dass unsere Chancen, den Fisherman zu stoppen, umso größer werden, je mehr wir über ihn wissen?«
Der Junge nickt, und die Falte verschwindet.
»Sagen Sie mir, glauben Sie, dass der Arzt diesem Saywer sein Büro benützen lässt?«
»Vermutlich, yeah«, sagt Evans. »Aber mir gefällt nicht, wie dieser Sawyer arbeitet. Er ist eine Polizeibrutalität. Wie wenn sie Leute misshandeln, damit sie gestehen. Wirklich brutal.«
»Ich habe eine weitere Frage an Sie. Eigentlich sogar zwei Fragen. Gibt es in Dr. Spieglemans Büro einen Kleiderschrank? Und könnten Sie mich
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