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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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nicht zu tun braucht.
    »Wie alt warst du?«
    »Zwölf«, sagt sie … so alt, wie Jack schon erwartet hat. Das alles muss im selben Jahr passiert sein, in dem Jahr, in dem Jack zwölf war und hierher gekommen ist, um seine Mutter zu retten. Aber ist er hierher gekommen? Sind das hier wirklich die Territorien? Irgendwie kommt ihm die Umgebung anders vor. Fast wie die Territorien … aber nicht ganz.
    Ihn überrascht es keineswegs, dass Morgan fähig war, eine Zwölfjährige so zu vergewaltigen, dass sie keine Kinder mehr bekommen konnte. Keineswegs. Morgan Sloat, bisweilen als Morgan von Orris bekannt, wollte nicht nur eine oder zwei Welten, sondern gleich das gesamte Universum beherrschen. Was bedeuten einem Mann mit solchen Ambitionen ein paar vergewaltigte Kinder?
    Sie fährt mit den Daumen sanft über die Haut unter seinen Augen. Es fühlt sich an, als würde ihn jemand mit Federn streicheln. Sie blickt leicht verwundert zu ihm auf. »Warum weinst du, Jack?«
    »Wegen der Vergangenheit«, sagt er. »Bringt sie uns nicht immer dazu?« Und wieder muss er an seine Mutter denken, wie sie am Fenster sitzt, eine Zigarette raucht und zuhört, wie aus dem Radio »Crazy Arms« erklingt. »Ja, es ist immer die Vergangenheit. Dort liegt alles Leid, über das man nie hinwegkommt.«
    »Schon möglich«, sagt sie. »Aber heute reicht die Zeit nicht aus, um über die Vergangenheit nachzudenken. Heute müssen wir an die Zukunft denken.«
    »Gut, aber darf ich zuvor ein paar Fragen stellen …?«
    »Meinetwegen, aber wirklich nur ein paar.«
    Jack öffnet den Mund, um zu sprechen, schnappt dann aber komisch übertrieben nach Luft, weil nichts herauskommt. Schließlich muss er lachen. »Du verschlägst mir ebenso den Atem«, sagt er zu ihr. »Man kann es nicht anders ausdrücken.«
    Ein Hauch von Rosa legt sich auf Sophies Wangen, und sie sieht zu Boden. Sie öffnet die Lippen, um etwas zu sagen … und presst sie dann wieder zusammen. Jack wünscht sich, sie
hätte gesprochen, ist zugleich aber auch froh, dass sie’s nicht getan hat. Als er Sophie sanft die Hände drückt, blickt sie mit großen blauen Augen zu ihm auf.
    »Habe ich dich gekannt? Als du zwölf warst?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Aber ich habe dich gesehen.«
    »Vielleicht. Im großen Pavillon. Meine Mutter war eine der Kammerzofen der Guten Königin. Auch ich war eine … die jüngste Zofe. Damals kannst du mich gesehen haben. Doch, du hast mich höchstwahrscheinlich gesehen.«
    Jack lässt diese wunderbare Eröffnung einen Augenblick auf sich einwirken, dann spricht er weiter. Die Zeit drängt. Das wissen sie beide. Er seinerseits spürt geradezu, wie sie verfliegt.
    »Judy und du, ihr seid also Twinner, aber keine von euch beiden reist – sie ist noch nie in deinem Kopf hier gewesen, und du bist noch nie in ihrem Kopf dort drüben gewesen. Ihr … redet durch eine Mauer miteinander.«
    »Ja.«
    »Die Dinge, die sie aufgeschrieben hat, hast du ihr von jenseits der Mauer zugeflüstert.«
    »Ja. Mir war bewusst, dass ich ihr damit schlimm zusetze, aber ich musste es tun. Ich musste! Es geht nicht nur darum, Judy ihren Sohn zurückzugeben, so wichtig das auch sein mag. Es gibt wichtigere Erwägungen.«
    »Zum Beispiel?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich bin nicht diejenige, die dir das sagen darf. Derjenige, der das tun wird, steht weit über mir.«
    Er betrachtet die kleinen Verbände an ihren Fingerspitzen und sinniert darüber, auf welch verzweifelte Weise Sophie und Judy versucht haben, durch die Mauer hindurch zueinander zu gelangen. Morgan Sloat hingegen konnte sich offenbar mühelos in Morgan von Orris verwandeln. Als Zwölfjähriger war Jack auch anderen begegnet, die dasselbe Talent besaßen. Er besaß es allerdings nicht: Er existierte nur einmal und war in beiden Welten stets Jack gewesen. Judy und Sophie waren offensichtlich nicht imstande, auf irgendeine Weise zu flippen. Ihnen fehlte etwas, und so mussten sie sich damit begnügen, durch die Mauer zwischen den Welten zu flüstern. Es mochte
traurigere Dinge geben, aber in diesem Augenblick fällt ihm kein einziges ein.
    Jack sieht sich in dem verfallenen Zelt um, das mit Sonnenschein und Schatten zu atmen scheint. Fetzen flattern. Durch ein Loch in der Gazewand sieht er im Raum nebenan einige umgestürzte Feldbetten. »Für was ist dieses Zelt gut?«
    Sie lächelt. »Für manche ist es ein Krankenhaus.«
    »Ja?« Er hebt den Kopf und wird dadurch wieder auf das Kreuz aufmerksam. Es ist jetzt

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