Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
so schnell davon, wie er gekommen ist. Er versucht, sich an seinen zweiten Vornamen zu erinnern, und merkt, dass er das nicht kann. Er versucht, sich an den Namen der bösen Krähe zu erinnern, und schafft auch das nicht – irgendetwas wie Corgi? Nein, das ist ja eine Hunderasse. Diese Mütze verhindert, dass er klar denken kann, merkt er, und genau das soll sie wohl und nichts anderes.
Sie gehen jetzt durch die offene Glastür auf die Terrasse hinaus. In der Luft hängt der Geruch der Büsche und Bäume, die an der Rückseite von Black House wuchern: ein Duft, der schwer und süßlich ist. Irgendwie fleischig . Der graue Himmel hängt so niedrig, dass man ihn fast berühren kann. Ty riecht Schwefel und etwas anderes, etwas, das bitter und elektrisch und saftig zu sein scheint. Hier draußen ist auch das Geräusch der Maschinen viel lauter.
Der auf den rissigen Ziegeln stehende Gegenstand, den Ty erkannt hat, ist ein Golfwagen der Marke E-Z-Go. Das Modell Tiger Woods.
»Die verkauft mein Vater«, sagt Ty. »Bei Goltz’s, da arbeitet er.«
»Wo glaubst du wohl, dass der herkommt, Arschgeige? Steig ein. Setz dich ans Steuer.«
Ty starrt sein Gegenüber verblüfft an. Die blauen Augen wirken auf ihn jetzt – vielleicht wegen der Wirkung der Mütze – blutunterlaufen und konfus. »Ich bin noch zu klein, um zu fahren.«
»Oh, du kommst damit schon zurecht. Ein Baby könnte dieses Baby fahren. Setz dich ans Steuer.«
Ty tut wie ihm geheißen. In Wirklichkeit ist er schon oft mit einem Golfwagen über den Parkplatz bei Goltz’s gekurvt – immer allerdings unter der wachsamen Aufsicht seines Vaters auf dem Beifahrersitz. Jetzt zwängt der scheußliche Alte sich behutsam auf diesen Sitz, wobei er sich stöhnend den aufgeschlitzten Unterleib hält. Die Stahlspitze des Elektroschockers in der anderen Hand bleibt jedoch unbeirrbar auf Ty gerichtet.
Der Schlüssel steckt. Ty dreht ihn nach rechts. Von der Batterie unter dem Sitz ist ein Klicken zu hören. Die Batterieanzeige leuchtet hellgrün auf. Jetzt braucht Ty nur noch aufs Pedal zu treten. Und natürlich zu lenken.
»So weit, so gut«, sagt der Alte. Er nimmt die Hand vom Unterleib und zeigt mit einem blutbefleckten Finger nach vorn. Ty sieht eine Spur aus verfärbtem Kies – bevor Bäume und Unterholz sie überwuchert haben, war das hier vielleicht eine Zufahrt -, die vom Haus wegführt. »Fahr los. Und fahr langsam.
Wenn du zu rasen anfängst, kriegst du wieder eine gewischt. Und wenn du vorhast, gegen einen Baum zu fahren, breche ich dir das Handgelenk. Dann kannst du einhändig weiterfahren.«
Ty tritt aufs Pedal. Der Golfwagen setzt sich mit einem Ruck in Bewegung. Der Alte schwankt, flucht kurz und schwenkt dann drohend den Elektroschocker.
»Es würde leichter gehen, wenn ich die Mütze abnehme«, sagt Ty. »Bitte, ich weiß bestimmt, dass ich dann …«
»Nein! Mütze bleibt! Fahr!«
Diesmal tritt Ty sanfter aufs Pedal. Der Wagen rollt über die Terrasse; die fabrikneuen Reifen knirschen über herumliegende Ziegelsplitter. Sie verlassen holpernd die gepflasterte Fläche und folgen schließlich der Zufahrt. Schwere Palmwedel – die sich feucht und schweißig anfühlen – streifen Tyler an den nackten Armen. Er schreckt vor ihnen zurück, wodurch der Golfwagen einen Schlenker macht. Burny droht dem Jungen knurrend mit dem Elektroschocker.
»Nächstes Mal gibt’s’ne Ladung! Versprochen!«
Vor ihnen windet sich eine Schlange über den fast ganz zugewachsenen Kies, die Ty mit zusammengebissenen Zähnen einen kleinen Schrei ausstoßen lässt. Er verabscheut Schlangen. Er wollte noch nicht einmal die harmlose kleine Kornnatter anfassen, die Mrs. Locher einmal in die Schule mitgebracht hat, und dieses Untier hier hat die Größe einer Python und dazu rubinrote Augen und Reißzähne, die ihr Maul zu einem ständigen Zähnefletschen aufsperren.
»Los! Fahr!« Der Elektroschocker wird vor ihm geschwenkt. Er hört die Mütze schwach in den Ohren summen. Hinter den Ohren.
Die Zufahrt beschreibt eine Kurve nach links. Irgendeine Art Baum, der mit Tentakeln besetzt zu sein scheint, spreizt sich über sie. Die Spitzen der Fangarme streifen Ty kitzelnd an den Schultern und lassen ihm die Nackenhaare zu Berge stehen.
Unserrr Junnnge …
Das kann er im Kopf hören, obwohl er die Mütze trägt. Es klingt leise, wie aus weiter Ferne, aber es ist deutlich zu vernehmen.
Unserrr Junnnge … jaaa … unserrr …
Burny grinst. »Du hörst sie, was? Sie
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