Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
French Landing sind einfach zu nahe liegend – da würde sich jeder die Finger danach lecken -, um ignoriert zu werden. Fish erwürgte seine Opfer, wie Amy St. Pierre und Johnny Irkenham offenbar erwürgt wurden; Fish verzehrte Teile seiner Opfer, wie das Mädchen und der Junge offenbar teilweise verzehrt wurden; Fish und der heutige Täter bewiesen eine besondere Vorliebe für die … nun, für die Hinterteile ihrer Opfer.
Dale starrt die matschigen Flocken an, dann lässt er den Löffel in den Brei fallen und schiebt die Schale mit dem Handrücken weg.
Und die Briefe. Die Briefe nicht zu vergessen.
Dale wirft einen Blick auf seinen Aktenkoffer, der wie ein treuer Hund neben seinem Stuhl kauert. Die Akte befindet sich darin, und sie zieht ihn an, wie ein fauliger, schmerzender Zahn die Zunge anzieht. Vielleicht kann er ja seine Hände von ihr
lassen, zumindest solange er hier zu Hause ist, wo er mit seinem Sohn Hufeisenwerfen spielt und mit seiner Frau ins Bett geht, aber seine Gedanken davon lassen … Das ist eine ganz andere Sache.
Albert Fish schrieb einen langen, grausig detailreichen Brief an die Mutter von Grace Budd, deren Ermordung den alten Kannibalen schließlich auf den elektrischen Stuhl brachte. (»Was für ein Nervenkitzel die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl sein wird!«, soll Fish seinen Gefängniswärtern erklärt haben. »Der einzige, den ich noch nicht ausprobiert habe!«) Der heutige Täter hat ähnliche Briefe geschrieben, einen an Helen Irkenham, einen weiteren an Amys Vater, den schrecklichen (aber nach Dales Einschätzung aufrichtig untröstlichen) Armand »Beezer« St. Pierre. Es wäre gut, wenn Dale glauben könnte, diese Briefe stammten von irgendeinem Trittbrettfahrer, der überhaupt nichts mit den Morden zu tun hat, aber beide enthalten Details, die den Medien vorenthalten wurden – Details, die eigentlich nur der Täter wissen kann.
Dale gibt schließlich der Versuchung nach (wie gut Henry Leyden das verstehen würde) und hebt seinen Aktenkoffer hoch. Er öffnet ihn und legt eine dicke Akte dorthin, wo vorher die Schale mit den Flocken gestanden hat. Er stellt den Aktenkoffer an seinen Platz neben dem Stuhl zurück, dann schlägt er die Akte auf (die mit ST. PIERRE/IRKENHAM, nicht etwa mit FISHERMAN betitelt ist). Er blättert sie durch … herzzerreißende Schulfotos von zwei mit Zahnlücken lächelnden Kindern, Untersuchungsberichte des Gerichtsarztes, die zu grausig sind, als dass man sie lesen könnte, und Aufnahmen von den Tatorten, die zu grausig sind, als dass man sie sich ansehen könnte (ach, aber er muss sie sich ansehen, muss sie sich ein ums andere Mal wieder ansehen – die von Blut glitschigen Ketten, die Fliegen, die offenen Augen). Dann folgen mehrere Protokolle, das längste das von der Vernehmung Spencer Hovdahls, der den kleinen Irkenham aufgefunden hat und für sehr kurze Zeit sogar als möglicher Täter galt.
Als Nächstes kommen die Fotokopien von drei Briefen. Einen haben George und Helen Irkenham erhalten (lediglich an Helen adressiert, als ob das einen Unterschied gemacht hätte).
Einen hat Armand »Beezer« St. Pierre bekommen (auch genauso adressiert, mit Spitznamen und allem). Der dritte ist derjenige, den Grace Budds Mutter in New York City nach der Ermordung ihrer Tochter im späten Frühjahr 1928 erhalten hat.
Dale legt die drei Briefe nebeneinander aus.
Grace hat auf meinem Schoß gesessen und mich geküsst. Ich habe beschlossen, sie zu essen. Das hatte Fish an Mrs. Budd geschrieben.
Amy hat auf meinem Schoß gesessen und mich umarmt. Ich habe beschlossen, sie zu essen. Das hatte der Unbekannte an Beezer St. Pierre geschrieben – war es da ein Wunder, dass der Mann gedroht hatte, die Polizeistation French Landing niederzubrennen? Dale kann den Hundesohn nicht leiden, aber er muss zugeben, dass ihm an Beezers Stelle sicher ähnlich zu Mute wäre.
Ich ging hinauf und zog alle meine Sachen aus. Ich wusste, dass ich sie sonst mit ihrem Blut besudeln würde. Fish an Mrs. Budd.
Ich ging hinter den Hühnerstall und zog alle meine Sachen aus. Wusste, dass ich sie sonst mit seinem Blut besudeln würde. Der Unbekannte an Helen Irkenham. Und dabei stellt sich eine Frage: Wie könnte eine Mutter einen solchen Brief erhalten und dabei nicht den Verstand verlieren? War das möglich? Dale glaubt es nicht. Helen beantwortete Fragen zusammenhängend, hat ihm bei seinem letzten Besuch sogar Tee angeboten, aber ihr glasiger, wie betäubter Blick zeigte,
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