Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
sollen?«
Bevor er antworten kann, wendet sie sich mit einem aufreizenden kleinen Schwenk ihres Rocks ab und geht in Richtung Gemeinschaftsraum davon, dorthin, wo am Nachmittag der Tanz zum Erdbeerfest stattfinden wird.
Pete stellt seufzend den Mopp an die Wand und folgt ihr.
Charles Burnside ist jetzt allein am Ende des Daisy-Korridors. Die Leere verschwindet aus seinem Blick, wird durch ein helles, wildes Glitzern niederträchtiger Intelligenz ersetzt. Er wirkt schlagartig jünger. Burny, die menschliche Scheißmaschine, hat sich plötzlich in Luft aufgelöst. An seiner Stelle steht Carl Bierstone, der die Kleinen in Chicago mit solch brutalem Geschick zur Strecke gebracht hat.
Carl … und etwas anderes. Etwas nicht Menschliches.
Er – es – grinst.
Auf dem nicht besetzten Schreibtisch liegt ein Stapel Papier, der mit einem runden Stein von der Größe einer Kaffeetasse beschwert ist. Auf dem Stein steht in kleinen schwarzen Buchstaben: BUTCHS LIEBLINGSSTEIN.
Burny greift sich Butch Yerxas Lieblingsstein und geht – noch immer grinsend – rasch zur Toilette hinüber.
Im Gemeinschaftsraum sind die Tische entlang der Wände aufgestellt und mit roten Papiertischdecken bezogen worden. Später wird Pete noch rote Lämpchen aufstellen (batteriebetrieben; keine Kerzen für die Sabberer, Gott bewahre). Überall an den Wänden hat man mit Klebeband große Erdbeeren aus Pappe angebracht, von denen manche ziemlich ramponiert wirken – sie sind alljährlich im Juli angebracht und wieder abgenommen worden, seit Herbert Maxton dieses Heim gegen Ende der Swingin’ Sixties eröffnet hat. Der Linoleumboden ist leergeräumt und kahl.
Am Nachmittag und frühen Abend werden heute die miefigen Oldies, die noch gut genug zu Fuß und bei Laune sind, dort draußen zu Big-Band-Sounds aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren herumschlurfen, sich bei den langsamen Nummern aneinander klammern und nach den Jitterbugs vor Aufregung wahrscheinlich ihre Windeln einnässen. (Vor drei Jahren erlitt einmal ein Oldie namens Irving Christie nach einem besonders anstrengenden Tänzchen zu »Don’t Sit Under the Apple Tree with Anyone Else but Me« einen kleinen Herzanfall.) O ja, der Schwof beim Erdbeerfest ist immer aufregend.
Rebecca hat ganz allein drei kleine Holzpodeste zusammengeschoben und sie mit einem weißen Laken bedeckt, um so das
Podium für Symphonic Stans Auftritt zu schaffen. In der Ecke steht ein glänzend verchromtes Mikrofon mit großer kugelförmiger Verkleidung, ein echt altes Stück aus den Dreißigerjahren, das einmal im Cotton Club im Einsatz war. Es gehört zu Henry Leydens kostbarsten Besitztümern. Daneben steht der hohe, schmale Karton, in dem es gestern angeliefert wurde. Auf dem Podium, unter einem mit roten und weißen Kreppgirlanden und weiteren Erdbeeren aus Pappe geschmückten Querbalken, steht eine Trittleiter. Bei ihrem Anblick empfindet Pete einen Moment lang besitzergreifende Eifersucht. Rebecca Vilas ist in seiner Kammer gewesen. Verdammte Schnüfflerin! Hat sie was von seinem Stoff geklaut, wird er ihr bei Gott …
Rebecca setzt ihren Karton mit hörbarem Grunzen auf dem Podium ab, dann richtet sie sich auf. Sie wischt eine Strähne seidigen kastanienbraunen Haars von einer geröteten Wange. Es ist erst früher Vormittag, aber dieser Tag wird dem Coulee Country eine wahre Affenhitze bringen. Klimatisiert eure Unterwäsche, und nehmt doppelt so viel Deodorant, Leute, wie George Rathbun an solchen Tagen manchmal blafft.
»Ich dachte schon, Sie würden nie mehr kommen, Wertester«, sagt Rebecca mit ihrem irischen Akzent.
»Tja, da bin ich«, sagt Pete mürrisch. »Sieht allerdings so aus, als kämen Sie ganz gut ohne mich zurecht.« Er macht eine Pause, dann fügt er hinzu: »Werteste.« Für Pete ist das eine ziemlich geistreiche Bemerkung. Er tritt vor und sieht in den Karton, der wie der Mikrofonkarton mit EIGENTUM VON HENRY LEYDEN gestempelt ist. Der Karton enthält einen kleinen Scheinwerfer, um den ein Anschlusskabel gewickelt ist, und eine rosa Streuscheibe, die dem Licht die Farbe von Zuckerwatte und Erdbeerbonbons geben soll.
»Was für’n Scheiß ist das?«, sagt Pete.
Rebecca bedenkt ihn mit einem strahlenden, gefährlichen Lächeln. Selbst für einen verhältnismäßig beschränkten Kerl wie Pete ist die Botschaft dieses Lächelns klar: Du stehst am Rand des Alligatorbeckens, Kumpel, wie viele Schritte willst du noch machen?
»Licht«, sagt sie. »L-I-C-H-T. Kommt dort oben an
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