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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Der eigentliche Oberbefehlshaber der vierzigsten Armee war General Gromow, der sich nun Nikolajew unterordnen mußte. Zum Erstaunen aller kehrte unter seiner Führung die vierzigste Armee zurück, ohne weitere große Verluste zu erleiden, obwohl die Mudschahedin einen Angriff nach dem anderen starteten.
    Die letzte Kolonne überquerte am fünfzehnten Februar die Amu-Darja-Brücke. Nikolai Nikolajew fuhr in der Nachhut mit. Er hätte im Armeejet heimfliegen können, aber er zog es vor, bei seinen Soldaten zu bleiben.
    Ganz allein saß er auf dem Rücksitz eines offenen Jeeps. Nie zuvor hatte er einen Rückzug angetreten. Dennoch hielt er sich kerzengerade in seiner Kampfuniform. Kein Stern, keine Schulterstreifen verrieten seinen Rang, aber seine Leute erkannten ihn an den weißen Haaren und dem Schnurrbart.
    Die Soldaten waren des Afghanistanabenteuers überdrüssig und freuten sich trotz ihrer Niederlage auf die Heimat. Kaum hatten sie das Nordende der Brücke erreicht, brachen sie in Jubel aus. Die Fahrer lenkten ihre Laster an den Straßenrand, und beim Anblick der im Wind flatternden weißen Haare ihres Generals strömten alle Soldaten herbei, um ihn zu feiern.
    Nikolajew war inzwischen dreiundsechzig. Jetzt fuhr er nach Norden, wo die Pensionierung und ein mit Vorträgen, Memoirenschreiben und Kameradentreffen gefülltes Leben auf ihn warteten. Aber noch war er ihr Onkel Kolja, der seine Soldaten heimführte.
    In den fünfundvierzig Jahren seiner Laufbahn als Panzersoldat hatte er drei große Leistungen vollbracht, die ihn schon zu Lebzeiten zur Legende machten. In seinem Befehlsbereich hatte er das »Piesacken« abgeschafft, das systematische Schikanieren junger Rekruten durch die »alten Hasen«, eine Unsitte, die in der Armee zu Hunderten von Selbstmorden geführt hatte. Später sollten andere Generäle seinem Beispiel folgen. Danach hatte Nikolajew sich bei den Parteibonzen mit Zähnen und Klauen für bessere Bedingungen und reichhaltigeres Essen für die Truppen eingesetzt. Und nicht zuletzt hatte er auf Korpsgeist und intensiver Ausbildung bestanden, so lange, bis jede Einheit, ob Zug oder Division, eine verschworene Gemeinschaft bildete und sich durch besondere Leistungen auszeichnete, wenn es darauf ankam. So verlieh ihm Gorbatschow, der wenig später gestürzt werden sollte, bei seiner Rückkehr den vierten Stern.
    General Nikolajew warf den Bericht zu Boden und starrte ins Feuer. »Was erwarten Sie von mir, Amerikaner? Wenn das alles stimmt, ist der Mann ein ausgemachter Scheißkerl. Aber was soll ich da tun? Ich gehöre zum alten Eisen, bin seit elf Jahren in Pension, weg vom Fenster.«
    Monk stand auf und steckte die beiden Dokumente wieder ein. »Die da draußen kennen Sie immer noch«, sagte er.
    »Millionen von Veteranen. Wenn Sie zu ihnen sprechen, hören sie auf Sie.«
    »Schauen Sie, Amerikaner. Dieses Land, mein Land, hat mehr gelitten, als Sie je begreifen können. Es ist mein Vaterland, und seine Erde ist mit dem Blut seiner Söhne und Töchter getränkt. Und jetzt sagen Sie, daß noch mehr Blut fließen soll. Ich trauere um mein Land, um seine Menschen, wenn das wirklich so ist, aber ich kann nichts tun.«
    »Und die Armee, die man zwingen wird, all das Leid anzurichten? Was soll aus der Armee werden, Ihrer Armee?«
    »Sie ist nicht mehr meine Armee.«
    »Sie ist Ihre Armee. Sie ist die Armee des ganzen Volkes.«
    »Sie ist eine geschlagene Armee.«
    »Nein, nicht geschlagen. Das kommunistische Regime wurde geschlagen, nicht aber die Soldaten, nicht Ihre Soldaten. Ihr Rückzug wurde angeordnet. Jetzt steht ein Mann vor der Tür, der sie wieder aufbauen will. Aber zu welchem Zweck? Angriffskrieg, Versklavung, Blutbäder.«
    »Und warum gerade ich?«
    »Haben Sie ein Auto, General?«
    Der alte Mann sah ihn verblüfft an. »Natürlich. Ein kleines. Damit komme ich rum.«
    »Fahren Sie nach Moskau. Zum Alexandergarten. Zum roten Granitstein, dem Grabmal des Unbekannten Soldaten. Da, wo das ewige Feuer brennt. Fragen Sie die Leute dort, was Sie tun sollen. Nicht mich. Fragen Sie Ihre Leute.«
    Damit ging Monk. Bei Tagesanbruch befanden er und seine tschetschenischen Leibwächter sich in einem anderen, sicheren Haus. Es war die gleiche Nacht, in der die Druckmaschinen zerstört wurden.
    Unter den vielen heute noch in Großbritannien bestehenden geheimnisumwitterten historischen Institutionen nimmt das College of Arms, das während der Herrschaft König Richards III. gegründet wurde, einen

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